Berlin. . Vor seiner Talk-Premiere am Sonntag, 11. September, im Ersten hält Moderator Günther Jauch den Ball flach. Er spricht von einer „übernatürlichen Erwartungshaltung“, die er nicht erfüllen könne.
Der Mann ist klug, er hält den Ball flach. „Lassen Sie die Sendung doch erst mal laufen.“ Und weil ihm die ganze Aufregung langsam unheimlich wird, tritt er unüberhörbar auf die Bremse: „Ich werde die übernatürliche Erwartungshaltung nicht erfüllen können.“ Günther Jauch beerbt Anne Will – und hat ein bisschen Muffensausen.
Am Sonntag startet das neue Talk-Format „Günther Jauch“ (ARD, 21.45 Uhr) mit einer Sendung über den zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September. Bis ins neue Jahr will sich Jauch Zeit lassen, um seine Form zu finden. „Ich habe einen höheren Adrenalinpegel als bei anderen Formaten“, bekennt der 55-Jährige. Die 60 Minuten nach dem „Tatort“ seien „der schönste Platz, den man haben kann“. Doch klar ist: Wer es hier verbockt, kann das nicht auf den Sendeplatz schieben. „Das lässt mir keine Ausreden.“
Keine Revolution, sondern Recycling mit Günther Jauch
„Günther Jauch“ kommt künftig aus dem alten Schöneberger Gasometer im Berliner Süden. Die Reichstagskuppel ist vier S-Bahnstationen entfernt, Berlin-Mitte weit weg. Dass Jauch „aus dem Herzen der Hauptstadt“ sendet, wie die ARD behauptet, ist ein bisschen übertrieben. Aber Jauch mag seinen Gasometer: „Das hat nichts Geschlecktes.“ Die alte Industrieruine sei zwar rau und unfein – aber auch nicht zu abgerockt. „Wir sind nicht zwanghaft nach Nordneukölln gegangen. Aber auch nicht in ein Schinkel-Schloss.“
In einem Nebengebäude bietet die TU Berlin den Studiengang „Erneuerbare Energien“ an. Ähnliches hat die ARD mit Jauch vor: Keine Revolution, sondern Recycling. Bewährtes Format trifft bewährten Moderator – ausgehandelt sind erstmal drei Jahre.
„Keine Neuerfindung des Deutschen Fernsehens“, betont ARD-Programmchef Volker Herres bei der Vorstellung des neuen Talks in Berlin. „Kein Experimentierfernsehen“, nickt auch sein teurer Neuzugang. Grauer Anzug, solide Frisur, Schalk im Nacken: Auch Jauch will sich nicht neu erfinden. „Die Leute glauben ja zu wissen, wer ich bin.“ Ein Mann, der charmant mit Hinz und Kunz über Gott und die Welt reden kann: „Es gibt nur wenige Themen, bei denen ich sage: Erspart mir das. Das gilt auch für Gäste.“ In der neuen Talkrunde will Jauch sich deshalb auch nicht auf eine Einheitsform festlegen – vom Einzelgast bis zur Vierergruppe sei alles drin.
Der Moderator hat auf seine Frau gehört
Die traditionelle Sonntagsrunde in der ARD – auch als Fernsehzuschauer war das immer schon Jauchs stille Leidenschaft. „Nur dass ich dann beim Zuschauen eben doch nicht so wahnsinnig still war.“ Günther Jauch fiebert mit, regt sich auf, kommentiert: Wenn einer hundertprozentige Chancen versemmelt, wenn die perfekte Frage im Raum stand, aber keiner sie stellt. „Dann mach’s doch selber“, hat Jauchs Frau irgendwann gesagt. Jetzt hat sie den Familienvater aus dem gemeinsamen Sonntag ins Studio entlassen.
„Ich habe die Freigabe“, grinst er, „aus welchen Gründen auch immer.“