Essen. . Der nächste Abend, das gleiche Thema: Auch Sandra Maischberger diskutierte am Dienstagabend über Libyen und Japan. Allerdings: Für die Erdbeben- und Atomkatastrophe reichte am Ende die Zeit nicht mehr.

Eindrucksvolle Augenzeugenberichte aus Libyen und politisches Strategie-Gespräch – bei „Menschen bei Maischberger“ ging es um den Krisenherd Libyen und Lösungsansätze. Mit in der Runde: Nah-Ost-Experte Peter Scholl-Latour, Ex-Nato-General Egon Ramms und Friedensaktivist Franz Alt.

Er war noch vor einer Woche in Libyen, reiste die Küste entlang, filmte Flüchtlinge aus dem Krisengebiet, sah befreite Gefangene aus unterirdischen Kerkern krabbeln und traf Widerstandskämpfer gegen den Machthaber Gaddafi – der ehemalige Manager und Autor Jürgen Todenhöfer wollte der Welt Libyen in Aufbruchstimmung zeigen. Und verlor dabei einen Freund.

30 Minuten Sendezeit bekommt der Menschenrechtler bei „Menschen bei Maischberger“, um seine Geschichte zu erzählen. Denn mit dem Titel „Bomben auf Gaddafi, Japan in Not: Welt aus den Fugen?“ soll ein genaues Bild von der Situation in Libyen gezeigt werden.

Dem Granatenangriff entkommen

„Selbstverständlich sind alle Libyer für die Freiheit und gegen Gaddafi“, schildert Todenhöfer seine Eindrücke. „Ich bin nahezu beschämt von der Herzlichkeit dieser Menschen.“ Dabei musste er seinen Aufklärungsausflug durch die Krisenregion mit einem großen Verlust bezahlen.

Die Video-Aufnahmen, die er im Studio kommentiert, enden in einem schrecklichen Szenario: Während das Journalisten-Team ausgebrannte Autos inspiziert, beginnt ein zweistündiger Granaten- und Raketenbeschuss durch Gaddafi-Anhänger; die Dunkelheit rettet die Journalisten, denn sie können einen siebenstündigen Rückzug durch die Wüste antreten. Todenhöfers libyscher Begleiter und Freund Abdul Latif ist nicht mehr dabei, er starb bei dem Angriff.

„Trotzdem haben mir Abduls Brüder für meinen Einsatz gedankt“, berichtet Jürgen Todenhöfer. Seine Ungläubigkeit steht ihm noch immer ins Gesicht geschrieben. Deswegen will der Bestseller-Autor jetzt seine Botschaft verbreiten: „Ich glaube nicht an die Klugheit eines Bombeneinsatzes. Aber es gibt Wege, um diesen Irren zu stoppen.“ Die westliche Politik müsse jetzt die letzte Chance der Diplomatie nutzen, um den „mordenden Clown“ Gaddafi zu stoppen.

Informiert dank Facebook und Youtube

Die libysche Journalistin Yasmina al-Gannabi hat erst Ende Februar ihr Land verlassen. Auch sie kann, wie Jürgen Todenhöfer, ein Bild von ihrem Zuhause beschreiben, wie es vor der westlichen Intervention aussah. Ihre Kollegen seien mittlerweile verhaftet oder verschwunden. „Viele Menschen wurden von Gaddafi gekauft“, berichtet sie. Schülern oder Beamten etwa wurden Geldgeschenke gemacht. So erklärt sie sich das „menschliche Schutzschild“ von Anhängern, das Libyens Machthaber um sich schart.

Nur so habe Gaddafi seine Volksleute von Arbeitslosigkeit, der klaffenden Schere zwischen Arm und Reich sowie von der Pressezensur ablenken können. „Durch das Internet, also Facebook und YouTube, und ausländische Fernseh-Sender haben wir aber sehen können, wie Aufstände in den Nachbarländern funktioniert haben“, berichtet Yasmina al-Gannabi. So habe der Aufstand auch in Libyen angefangen.

Konsens unter Maischbergers Menschen

Dass Muammar al-Gaddafi gestoppt werden müsse, da war sich die ARD-Talk-Runde einig. Moderatorin Sandra Maischberger navigierte die Sendung von der libyschen Reporterin über den Nah-Ost-Experten bis zum Ex-Nato-General – und es herrschte Konsens, die Intervention des Westens war unvermeidbar, obwohl schon fast zu spät.

„Ohne den schnellen Militäreinsatz wäre Benghasi am Samstag gefallen“, betont Peter Scholl-Latour. „Dieser Einsatz in Libyen ist wichtiger als der deutsche in Afghanistan, weil Libyen näher an Europa dran ist.“ Hamed Abdel-Samad, deutsch-ägyptischer Politikwissenschaftler, stimmt zu: „Ohne Militäreinsatz wäre Gaddafi jetzt wieder an der Macht – und das hätte einen Dominoeffekt bei den anderen Diktatoren bewirkt, die zuvor gestürzt worden waren.“

Was am Samstag noch überstürzt wirkte, ordnet Ex-Nato-General Egon Ramms mittlerweile als „sorgfältige Zielplanung“ ein: „Der Einsatz in Libyen läuft aus militärischer Sicht ganz gut.“ Ramms kann das beurteilen, er leitete bis vor kurzem den Einsatz der ISAF-Truppen in Afghanistan.

„Warum liefern wir denn überhaupt Waffen?“

Lediglich Fernseh-Journalist Franz Alt kann dem Krieg gar nichts Positives abgewinnen. Zu präsent sind ihm noch die Bilder von den Händeschüttlern Sarkozy, Westerwelle, Schröder, Blair – und Gaddafi. „Der Einsatz ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Warum liefern wir denn überhaupt erst Waffen? Jeder Krieg bringt weitere unschuldige Opfer“, meint der Friedensaktivist. „Wir brauchen Geduld, wir müssen langfristig denken“, lautet sein Konzept, denn er beruft sich auf den Dalai Lama.

Zum Schluss darf Franz Alt dann noch kurz sagen, wozu er eigentlich gekommen war: „Wir können mit regenerativen Energien die ganze Welt versorgen“, sagt er. Für sein zukunftsweisendes Energie-Konzept setzt er sich zurzeit engagiert ein. Doch für die zweite Hälfte des Titels „Japan in Not“ und eben für die Folgen des Reaktorunfalls reichte die Sendezeit nicht. Das soll dann in einer der nächsten Sendungen geklärt werden, sagt Sandra Maischberger.