Essen.. Nahost-Experte Jochen Hippler bezweifelt den Erfolg der Luftangriffe in Libyen. Er befürchtet, dass die militärische Intervention Gaddafi nicht entmachten und den blutigen Krieg in die Länge ziehen wird.
Er hat große Zweifel an einem Erfolg der Luftangriffe in Libyen. Jochen Hippler vom Institut für Frieden und Entwicklung (INEF) der Universität Duisburg-Essen befürchtet, dass die militärische Intervention Gaddafi nicht entmachten und den blutigen Krieg in die Länge ziehen wird.
„Die Angriffe können zwei Ziele verfolgen: Den Schutz der Bevölkerung, das ist legal. Und den Sturz Gaddafis – das widerspräche dem UNO-Beschluss.“ Aber, so Hippler weiter: „Die Luftangriffe werden beide Ziele nicht erreichen.“ Man könne die Zivilbevölkerung mit einer Flugverbotszone nicht wirksam schützen. Auch das Massaker von Srebenica, bei dem 1995 im Bosnienkrieg 8000 Männer getötet wurden, geschah unter einer Flugverbotszone, erinnert Hippler. Und: „Man kann auch Gaddafi nicht mit Bomben stürzen. Im Gegenteil, manche Gegner des Diktators wenden sich ihm unter dem Eindruck des Bombardements westlicher Staaten wieder zu.“
„Das ist nicht schlau“
Luftangriffe können wirken, wenn es klar identifizierbare Konfliktparteien gibt, so der Nahost-Experte. „In Libyen aber gibt es wie in Afghanistan zahlreiche Gruppen, die ihr eigenes Süppchen kochen“. Da seien Unabhängigkeitskämpfer, Verbrecherbanden, Demokraten, Stämme, extremistische Organisationen, „und im Süden bewaffnen sich derzeit Männer, um nun an der Seite Gaddafis einzugreifen.“ Nicht, weil sie dem Diktator helfen wollten, sondern um zu verhindern, dass der Osten mit seinen Öleinnahmen sich abspaltet. „In so einer Situation helfen Luftangriffe womöglich Leuten, denen man gar nicht helfen will. Das ist nicht richtig schlau.“
Aber musste man Gaddafi nicht stoppen? „Warum gerade Libyen“, fragt Hippler zurück. Was ist mit der Elfenbeinküste, dem Jemen oder dem Kongo, wo vor einigen Jahren Hunderttausende Menschen starben. „Wir wenden die moralische Argumentation immer dort an, wo unsere Interessen betroffen sind.“
„Man muss vor Ort sein“
Er sieht nur einen Weg: Wenn man der Bevölkerung helfen wollte, hätte man humanitäre Hilfe leisten und Blauhelmsoldaten mit einem robusten Mandat zwischen den Konfliktparteien platzieren müssen. „Man kann den Menschen nicht helfen, wenn man mit einem Flugzeug über sie hinwegfliegt, man muss unten vor Ort sein.“ Wenn die Angriffe nach einigen Wochen ohne Erfolg bleiben, wenn Gaddafi weiter morden lässt, werde im Westen unweigerlich eine Diskussion um die Entsendung von Bodentruppen beginnen. Hippler: „Wir haben wieder eine Politik, die die Sache nicht vom Ende her denkt.“