Essen. . Gleich drei Themen versuchte Reinhold Beckmann in seiner Talkshow abzuhandeln. Eine ehemalige Bischöfin, ein Ex-Umweltminister und ein General a.D. sollten über Libyen und Japan reden. Dafür waren 75 Minuten einfach zu wenig.
Aus aktuellem Anlass hatte Reinhold Beckmann das Thema seiner Talkshow geändert. Statt über Trauer und Trost sollten eine ehemalige Bischöfin, ein Ex-Umweltminister und ein General a.D. über Libyen und Japan reden. Dafür waren 75 Minuten einfach zu wenig.
Es war ein seltener Moment in dieser Sendung: Als „absolut falsch“ bezeichnete General a.D. Harald Kujat die Position der Bundesregierung zum Militäreinsatz in Libyen, das heißt, die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat. Klare Positionen waren ansonsten Mangelware in Reinhold Beckmanns gestriger Late-Night-Runde. Meist waren sich die Gesprächspartner einig, ein bestimmtes Problem werfe „generelle Fragen“ auf.
Dass diese nicht näher erörtert wurden, lag vor allem an Zeitmangel. In 75 Minuten sollte über drei komplexe Themen geredet werden. Aus aktuellem Anlass ging es um Libyen. Und um Japan. Und ein bisschen auch um die ehemalige Vorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, die beim Thema Nuklearenergie und NATO-Strategie ein wenig überfordert wirkte.
Das hatte seinen Grund. Ursprünglich war sie zu einem anderen Thema eingeladen worden. Sie sollte über Verlust und Trauerarbeit sprechen. Anlass war der Fall des zehnjährigen Mirco Schlitter, der nach monatelanger Suchaktion Anfang des Jahres ermordet aufgefunden worden war. Käßmann sollte mit den Eltern des Jungen sprechen, die nun eine Woche später zu Gast sind.
„Falsche Allianz“ mit Russland und der Türkei
Auch wenn das Thema nun ein anderes war – ganz fehl am Platz war Käßmann nicht. Immerhin ging es um Krieg und um die uralte Frage, inwieweit Gewaltanwendung mit einer pazifistischen Moraltheologie zusammengeht. In einem eng begrenzten Rahmen seien militärische Maßnahmen erlaubt – wenn es etwa um die Verhinderung von Genozid gehen, sagt die ehemalige Bischöfin.
Ex-Umweltminister Klaus Töpfer, ebenfalls in der Runde, betonte, die moralische Verpflichtung zum Eingreifen ergebe sich schon aus der Geschichte. Auf dem Balkan, in Ruanda, im Sudan habe die Welt zu lange zugesehen und Massenmorde nicht verhindert. Damit widersprach Töpfer seinem Parteikollegen, dem neuen Verteidigungsminister de Maizière, der neulich im ZDF-Interview sagte, Deutschland könne nicht jeden Diktator demontieren.
Kritik kam auch vom Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. Beim Libyen-Einsatz stünden zwei Verlierer bereits fest: Gaddafi (wahrscheinlich) und die NATO (in jedem Falle). Das Verteidigungsbündnis habe immer auf dem Solidaritätsprinzip gefußt. Das Vorpreschen Frankreichs, aber auch die Zurückhaltung Deutschlands, hätten der NATO schweren Schaden zugefügt. Deutschland stehe nun, nebenbei, in einer „falschen Allianz“ mit Ländern wie Russland und der Türkei, die eine ähnliche Haltung im Libyen-Konflikt hätten.
Niveau pendelte von „Cicero“ bis „Gala“
Hier hätte man gerne erfahren, aber das zweite Thema drängte: Japan und die Zukunft der Kernenergie. Laut Käßmann zeige sich in der Katastrophe auch der Hochmut der Menschen, die Dinge für beherrschbar hielten, die nicht zu beherrschen seien. Töpfer wiederum sprang Bundeskanzlerin Merkel zur Seite. Die hatte bekanntlich ein Moratorium verkündet und sieben deutsche Meiler vom Netz genommen. Das war ihr von verschiedenen Kommentatoren als Wahltaktik ausgelegt worden.
Wenn Politikern Meinungsänderungen grundsätzlich als Taktik ausgelegt würden, sei das eine Gefahr für die offene Demokratie, konterte Töpfer. Auch Käßmann sagte, Politiker müssten die Möglichkeit haben, Fehler öffentlich zu korrigieren. Vom ehemaligen Umweltminister kam außerdem der nicht ganz unwichtige Hinweis, dass der Atomausstieg in Deutschland quer durch alle Parteien Konsens und schon lange vor der Tragödie in Japan beschlossene Sache gewesen sei. Ganz im Gegensatz zur Haltung anderer Nuklearmächte wie den USA oder Frankreich.
Schade, dass die Diskussion an dieser Stelle noch einmal drehte. Nun sollte Käßmann plötzlich über das „Innehalten“ sprechen (gemeint war die Situation nach ihrem Rücktritt als EKD-Vorsitzende). Klaus Töpfer, inzwischen 72, wurde nach seinen Sehnsüchten gefragt und Kujat nach seinem Bauernhof. Am Ende war es, als hätte Beckmann von „Cicero“ zur „Gala“ gewechselt. Schade.