Berlin. 20 Jahre nach ihrem Ende ist die DDR wieder Thema. „Unrechtsstaat“ rufen die einen, „Es war nicht alles schlecht“ die anderen. ARD-Talkerin Sandra Maischberger befragte dazu die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Richtig spannend wurde es aber erst, als die Regierungschefin schon gegangen war.

Austern essen wollte sie. Im Kempinski. Es so richtig krachen lassen. Das war der Plan der ostdeutschen Pfarrerstochter für den Tag, an dem die Berliner Mauer einmal fallen würde. Als es dann plötzlich soweit war, im November 1989, fiel die spontane Feier deutlich profaner aus. In einer „wildfremden Wohnung“ in West-Berlin stieß sie mit „einer Büchse Bier“ auf die Grenzöffnung an. Der Rest ist bekannt: Die promovierte Physikerin Angela Merkel machte in der neuen Bundesrepublik eine atemberaubende politische Karriere, die sie bis ins Kanzleramt führte.

Es waren nicht ganz neue, aber persönliche Einblicke, die die Bundeskanzlerin bei Sandra Maischberger in der ARD gewährte. „60 Jahre Bundesrepublik – Sind die besten Jahre vorbei?“ stand wie eine Drohung als Motto über dem Gespräch. Eine Frage, die in dem Vier-Augen-Talk nicht beantwortet wurde. Stattdessen erfuhr der Zuschauer, dass Angela Merkel schon als Achtjährige in der Uckermark die Minister der Regierung Adenauer auswendig aufsagen konnte, „aber die Politbüro-Mitglieder der DDR auch“.

Ostalgie-Debatte auf Hochtouren

20 Jahre nach dem Mauerfall läuft die Ostalgie-Debatte auf Hochtouren. Allen Ernstes wird im Lande die Frage diskutiert, ob die DDR, die ihre Bürger hinter Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen einsperrte, ein Unrechtsstaat war. 72 Prozent der Ostdeutschen glauben, die Einheit habe ihnen viele Nachteile gebracht; 64 Prozent fühlen sich als Menschen 2. Klasse; 21 Prozent wollen gar die Mauer zurück. „Die DDR war auf Unrecht gebaut“, hielt Merkel dem entgegen. Überall sei Lüge gewesen. „Ich habe Physik studiert, weil dort die Wahrheit nicht so leicht zu biegen war.“ Auch Merkel war in der FDJ, sie räumt ein, dass andere stärker als sie „gegen das System gekämpft“ hätten. Aber: „Man musste Kompromisse eingehen.“

Nach 25 Minuten Plauderei verabschiedete Maischberger ihren Gast – schade eigentlich. Denn in der folgenden Runde hätte die Kanzlerin hautnah erleben können, wie verbissen einige an der DDR-Verklärung arbeiten. Da war nicht nur der unvermeidliche Linkspartei-Frontmann Gregor Gysi, der einmal mehr seine These abspulte, wonach die Bundesrepublik nach 1989 besser geworden wäre, wenn man „zehn Prozent“ von der DDR übernommen hätte - die Polikliniken etwa, oder „stellvertretende Schuldirektoren“. Und auch die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, in die die SED-Diktatur die Bauern zwang, seien gar nicht so schlecht gewesen. Man hätten die Wiedervereinigung irgendwie „anders organisieren“ müssen, so Gysis wolkige Einsicht.

"Unrechtsstaat mit Gerechtigkeit"

Und dann war da Uwe Steimle, Schauspieler und Kabarettist. Steimle („Ich fühle mich als Sachse“) ist als Honecker-Imitator so genial wie als geschichtlich-politischer Analytiker überfordert. „Die DDR war ein Unrechtsstaat, in dem es auch Gerechtigkeit gab“, leitete Steimle seine clownesk anmutenden, aber durchaus ernst gemeinten Thesen ein, die in der aberwitzigen Behauptung mündeten, die alte Bundesrepublik sei „1989 genauso am Ende gewesen wie die DDR auch“. Überall witterte Steimle Verunglimpfung seiner DDR: „Die Geschichte wird auf den neusten Stand der Lüge gebracht.“ Das mag ein Lacher im Kabarett sein, der Wahrheitsfindung dienen solche Sprüche nicht.

Leider fanden Gysi und Steimle keinen rechten Widerpart in der Runde. Der Journalist Wolfram Weimer raunte zwar etwas von „sophistischer Relativierung“, ließ das Ost-Duo aber weitgehend gewähren. Und auch Historiker Guido Knopp konnte keinen Kontrapunkt setzen. In über tausend Jahren deutscher Geschichte, so Knopp, spielten 40 Jahre DDR ohnehin „keine Rolle“. Knopp war es dann auch, der Maischbergers Frage nach den besten Jahren schließlich doch noch beantwortete. Er findet: „Die besten Jahren beginnen gerade.“

So hätte es Angela Merkel auch sagen können.