Bayreuth. Da nimmt ein Tenor kein Blatt vor den Mund. „Nee“, sagt Bayreuths amtierender „Siegfried“, er verstehe auch nicht alles in Frank Castorfs Inszenierung. Dennoch steht er zur umstrittenen Inszenierung vom „Ring des Nibelungen“. Ein Interview über Rätsel, Buhs und die Ehre, in Bayreuth zu singen.

Lance Ryan hat schon fast überall den „Siegfried“ gesungen – in Bayreuth aber bleibt es etwas sehr Besonderes. Britta Schultejans sprach mit dem 43-jährigen kanadischen Startenor über Frank Castorf, Knatsch und Buhs aus dem Parkett.

Frank Castorfs Ring wird von vielen als konzeptlos kritisiert. Können Sie diese Kritik verstehen?

Lance Ryan: Ja klar. Man will ja immer verstehen und das wird in dieser schnellen und komplexen Welt einfach immer schwieriger. Und genau so ist es bei Castorf auch. Da gibt es nichts, was sich einfach problemlos aus sich heraus erklärt. Es ist nicht eine Geschichte, nicht eine Idee, nicht ein Konzept. Man muss sich immer fragen, was er meint. Es gibt viel Ironie, die aber nicht immer sofort als solche zu erkennen ist. Man muss nachdenken, überlegen und versuchen, zu verstehen. Ich finde, das ist eigentlich etwas, das die Realität ziemlich gut widerspiegelt.

„Was er da macht, überlege ich schon lange...“

Haben Sie ungefähr verstanden, was Castorf da macht?

Ryan: Nee. Was er macht, da überlege ich schon lange und überlege auch immer noch. Aber was er will, das habe ich fast sofort verstanden. Er will reine Fantasie und er gibt uns Umstände, Objekte, Requisiten, die im Text so nicht zu finden sind. Eine Kalaschnikow ist kein Schwert, aber ich muss sie wie ein Schwert behandeln. Und wenn es dann beim Schmieden des Schwertes zum Hämmern kommt, sagt Castorf zu mir: Jetzt nimm einfach ein Schwert. Ist doch klar, oder? Ja, ganz klar... Es ist so ein Witz, so viel Ironie und es hat gedauert, bis ich dachte: Naja, warum nicht?

Es gab Streit zwischen Frank Castorf und Katharina Wagner. Wie wirkt sich das auf das Team aus? Drückt das die Stimmung?

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Ryan: Nee, eigentlich nicht. Wir haben viel gehört – schon klar. Aber sie sind klug hier und haben versucht, das alles von uns fernzuhalten, damit unsere Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Eigentlich sind Frank und Frau Wagner immer unbeschwert und ganz witzig miteinander umgegangen. Was man jetzt hört, lässt darauf schließen, dass sie alles nun ein wenig ernster nehmen. Aber wir werden da rausgehalten. Und ich persönlich will mich da auch gar nicht einmischen. Mir ist das egal. Natürlich ist es schön, hier zu sein und mit tollen Kollegen zusammenzuarbeiten. Aber das hier ist nicht mein Freundesnetzwerk. Wir sind hier als Profis, um zu arbeiten, und wir haben alle unsere Leben. Man darf das alles nicht zu persönlich nehmen.

„Dieser Ring wird ausgebuht, total ausgebuht“

Gilt das auch, wenn sie von einigen Zuschauern ausgebuht werden wie im vergangenen Jahr hier in Bayreuth? Oder trifft Sie das doch?

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Ryan: Natürlich trifft mich das. Es war aber seit 2012 klar: Dieser „Ring“ wird ausgebuht, total ausgebuht. Frank will provozieren, er will überhaupt kein leichtes, einfaches Bild. Und wir haben kein leichtes, einfaches Bild gemalt. Trotzdem ist es lästig und schwierig, ausgebuht zu werden – aber es gehört zur Arbeit. Wir sind die Instrumente von Frank und Kirill Petrenko (Anm.: der Dirigent) und viele Leute verstehen das nicht, weil sie nicht wissen, wie es im Theater abläuft. Man muss es einfach hinter sich lassen. Weiter, immer weiter. Mir war es immer wichtig, dass meine Arbeit meinen Chefs gefällt, den Generalmusikdirektoren und Intendanten. Ich sage es ganz ehrlich: Ich singe nicht etwa in Bayreuth, weil die Gagen hier so hoch wären, sondern weil es eine Ehre ist.

Man hat eine einzigartige künstlerische Gelegenheit. Ich bin nicht hier, um die Zustimmung des Publikums zu bekommen. Aber wenn es den Zuschauern nicht gefällt, tut es mir natürlich leid. Ich will ja keine Probleme machen. (dpa)