Bayreuth. Eine Pause mehr als üblich verzeichnet Bayreuths Tannhäuser. Die Folge einer technischen Panne ist fast schon die größte Besonderheit. Eine Neuinszenierung gibt es 2014 nicht, die Kanzlerin ist bei der Eröffnung in Ferien. Und Katharina Wagner stehen schwere Zeiten bevor.
2014 wird vermutlich als Durchschnittsjahr in die Geschichte der Bayreuther Festspiele eingehen. Der Spielplan zeigt bekannte Aufreger. Eröffnet wurde Freitag mit dem Klärwerk-“Tannhäuser“. In der Titelrolle: der Gelsenkirchener Torsten Kerl. „In Unterhosen über die Bühne rennen“, so Kerl zu unserer Zeitung, das würde er selbst für Bayreuth nicht tun. Er hielt Wort. Sebastian Baumgartens hilflose Kloaken-Ballade wurde von der Ästhetik schlotternder Feinrippwäsche befreit. Der Eröffnung wohnte immerhin eine Panne inne: Nach 20 Minuten brachen Bühnenteile zusammen. Das Publikum mussste den Saal verlassen, zurück ins Freie. Ein Ereignis im Bayreuth von 2014.
Was ansonsten als neu gemeldet wird, ist alt. Ein zeternder Regisseur (Frank Castorf übers Klima: „Angst, vorauseilender Gehorsam. Ich kenne das aus dem Osten.“) ist im Festspielhaus eher Konstante als Überraschung. Gleiches gilt für die Klage über schlechte Sänger oder den Verrat an der Tradition.
„Das ist das Zeichen! Welche Wonne!“
Da wird die Abwesenheit der Bundeskanzlerin zum Thema der Saison. Doch, Geduld, sie kommt. Angela Merkel, die so viele Jahre auch nach der Eröffnung ganz freiwillig und ohne Platz in der Königsloge den kompletten Eröffnungszyklus schaut, und dazu in demonstrativer Diskretion Roben der letzten Jahre aktiviert, fehlt. 2014 macht sie nämlich erst Alpenurlaub und hört dann Wagner am Fichtelgebirge. Zu „Siegfried“ wird sie anreisen und wissend lauschen der Geschichte von der Ohnmacht der Götter. Andere Bayreuther Gleichnisse auf herrschende Kasten hat die Kanzlerin bereits gleichmütig ausgesessen: Im „Fliegenden Holländer“ gab es gar die Merkel-Raute auf der Bühne. „Das ist das Zeichen! Welche Wonne!“ mag die Wagnerianerin kenntnisreich bei sich gedacht haben.
Eva Wagner nimmt kommentarlos Abschied
Um eine andere Frau auf dem Grünen Hügel muss man sich vermutlich größere Sorgen machen. Letztmals steht Katharina Wagner (36) gemeinsam mit ihrer 33 Jahre älteren Halbschwester Eva an der Spitze der bedeutendsten deutschen Opernfestspiele.
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Ob Eva es leid war, neben der wie ein drogenkratziges Partygirl auftrumpfenden Katharina als griesgrämige Anstandsdame zu wirken? Eva, einst durch Wolfgang Wagners zweite Frau und Katharinas Mutter regelrecht vom Hügel gejagt, geht. Ihren Abschied hat sie, wie so vieles in der tristen Familiengeschichte, nicht kommentiert.
Bald regiert Katharina allein
2015 gehört also Bayreuth der künsterischen Leiterin Katharina. Dann ist sie Hausherrin u n d führt Regie im „Tristan“. Ein Triumph nur auf den ersten Blick. Zwar wissen die „Rheingold“-Riesen: „Was du bist, bist du nur durch Verträge“. Doch mangelte es der juristischen Form in Bayreuth nie so sehr an Inhalt wie jetzt. Katharina fehlt Anerkennung. Künstlerisch ernst nehmen sie wenige. Das war in Sachen Regie bei Vater Wolfgang (1919-2010) nicht viel anders, doch vermochte der bauernschlaue Patriarch das heikle Bayreuther Geflecht aus Politik und Kunst, singenden Sensibelchen und einem extrem knapp kalkulierten Budget trotz aller Hemdsärmeligkeit ungleich souveräner zu jonglieren. „Kommunikationsgestört“, nennt ein langjähriges Bayreuther Ensemblemitglied Wolfgangs Tochter.
Wird Katharina dereinst die letzte sein vom Stamme Wagner? „So lange die Wagnersche Nase noch da ist, geht’s!“, sagte Wagner-Tenor René Kollo dieser Zeitung. Bayreuth 2014: das letzte amtierende Königshaus? „Alles, was ist, endet“, singt man im „Ring des Nibelungen“. Trost und Drohung liegen in diesen Worten einschüchternd nah beieinander.