Recklinghausen. Am Abgrund bewegt sich das Bühnenbild. Die Inzenierung von „Warten auf Godot“ zeigt dagegen bei den Ruhrfestspielen eine spielerische Leichtigkeit. Das lässt die Bekettsche Apokalypse in den Hintergrund treten, gibt Schauspielern aber reichlich dankbare Momente.

Kann mehr Abgrund sein? In die sich publikumwärts neigende Ebene bohrt Mark Lammerts Bühnenbild noch einen Trichter ins Nichts. Anfangs könnte ein riesiges Tuch in Rosa noch Leben bedeuten. Doch ziehen Wladimir und Estragon es bei ihrem Auftritt selbst in die Tiefe. Optisch wird es also ein schwarzer Abend, dafür mehr komisch als tiefgründelnd: Schauspielertheater der Ruhrfestspiele 2014.

Zu den zu beklagenden Toten, mit denen man in Recklinghausen noch viel vor hatte, zählt heuer neben Maximilian Schell und Otto Sander auch Dimiter Gottscheff. Dem unbequemen, genialisch begabten Regisseur (1943-2013) gilt dieses „Warten auf Godot“ als Gruß der Lebenden. Und der lebendigen Kunst.

Inszenierung ohne modischen Firlefanz

Lebendig ist sie in Ivan Panteleevs Inszenierung. Zwar zeigt sie puristisch allen Moden eine lange Nase, entstaubt das Theater vom todlangweiligen Allzweckwaffengebrauch jeder Video- und Kräh-Maschinerie. Dafür schnürt sie Samuel Becketts berühmte Endlosschleife üppig aus vielen Fäden komödiantischer Verführung.

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Und sind sie der Worte müde, wie es in pausenlosen zweieinviertel Stunden wohl vorkommen mag, setzt es szenische Weckrufe: Etwa, als dieser verdammte Godot wieder nicht kommt und Wladimir und Estragon über Minuten folglich allein mit Fingerschnippen und Körpereinsatz ein Dutzend Weltsportarten von Schach bis Tennis über die Bühne jagen - zum Zeitvertreib.

Ja, es gibt manches Plaisir, nicht selten auf Kosten unzweifelhafter Traurigkeit. Panteleev aktiviert Affenzucker, nicht Apokalypse. Melancholikern könnte etwas fehlen, Amüsierwillige werden dankbar registrieren, wie leichtfüßig man hier Becketts Grab betanzt.

Samuel Finzi, ironisch charmant wie oft

Jubel für alle: Wladimir, den Samuel Finzi charmant ironisiert, wie so viele seiner Rollen. Angreifbar im irrlichternden Sprachduktus bleibt er auch hier. Wolfram Kochs Estragon ist ein brillanter Körperspieler mit vertrauten Mitteln. Kammerspiel-Nuancen schenkt dem Riesenraum des Festspielhauses Christian Grashofs Pozzo. Wie dieser Entertainer auf den Hund (Andreas Döhler) kommt, das rührt einen ausnahmsweise nicht zu Lachtränen.

7., 8., 9. Juni. Tickets: Abendkasse oder Tel. 02361-92 180