Recklinghausen. . Die Kunsthalle Recklinghausen begleitet das Insel-Motto der Ruhrfestspiele: Sie zeigt Werke aus und über Island – von Johann Heinrich Hasselhorst bis Cindy Sherman und Olafur Eliasson.

Vielleicht war es der ausgesprochene Mangel an Neuigkeiten aus der großen weiten Welt, der das Geschichtenerzählen auf einer Insel wie Island besonders gefördert hat. Dabei hat der gepflegte Mitteilungsdrang der Isländer nicht nur ihre weithin gerühmten Sagas hervorgebracht, sondern auch in der Kunst seinen Niederschlag gefunden. Die Abstraktion ist zwar nicht spurlos an Island vorbeigeströmt, aber sie sieht hier nicht anders aus als anderswo. Eigen ist dagegen die Art, wie Islands Kunst erzählt. So bietet die neue Ausstellung der Kunsthalle Recklinghausen, passend zum Insel-Motto der diesjährigen Ruhrfestspiele, einen ganzen Kosmos von Geschichten in Gestalt von Gemälden, Fotos, Skulpturen und Installationen.

Cindy Sherman geht spazieren

Und eine der schönsten Geschichten ist die Island-Erfahrung von Cindy Sherman: Als die New Yorker Fotografin mit Weltgeltung 2010 zur Ausstellung ihrer Serie „Untitled Films Stills“ in der Isländischen Nationalgalerie Reykjavík reiste, brach gerade der flugreisenbremsende Vulkan Eyjafijallajökull aus – und Cindy Sherman hatte es so gerade eben noch nach Island geschafft. Aber niemand von ihrem Begleittross. So streifte sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten David Byrne über die Insel und schoss eindrucksvolle Bilder von qualmenden Steinen, brodelnden Quellen und mystischen Landschaften. Daheim in New York montierte sie sich selbst in federgesäumten Chanel-Kleidern der 20er-Jahre in die gemäldeartigen Island Fotos hinein – und zwei dieser bizarren Begegnungen von Urwelt und Zivilisation gehören nun zu den Glanzstücken der Ausstellung in Recklinghausen.

Dort hat man sich – in vehementer Zusammenarbeit mit Halldór Björn Runolfsson – nämlich dazu entschlossen, neben Werken isländischer Künstler auch Bilder auszustellen, die sich ihre auswärtigen Kollegen von Island gemacht haben. So durchschneidet ein gleißender Lichtstrahl Magdalena Jetelová die schwarzen Felsen ihrer Leuchtkasten-Fotografie und erzählt davon, das Licht manche Dinge manchmal unsichtbar macht. Und so beginnt die Ausstellung mit einem Landschafts-Gemälde im Breitwand-Format: das „Tal von Thingvilla“, das der deutsche Maler Johann Heinrich Hasselhorst 1862 nach seiner Island-Expedition auf die Leinwand warf. Hasselhorst war mit Geologen, Zoologen und einem Mediziner eingeladen worden und sollte die Nordlandfahrt dokumentieren.

Olafur Eliasson versenkt Autos

Unter den Isländern der Ausstellung sticht nicht so sehr der Allzuspät-Impressionist Johannes S. Kjarval heraus, sondern die aktuelle Kunst. Olafur Eliassson etwa, der sich längst international einen Namen gemacht hat und hier mit der 35 Fotos starken Serie „Autos in Flüssen“ vertreten ist, die zugleich den Atem stocken lässt und schmunzeln macht. Gabríela Frídriksdóttirs Groß-Installation „Crepusculum“ bietet eine Sandlandschaft im Raum, in der Flaschen mit Meeresinhalten wie Fischeiern, Salz oder Algen dümpeln und ein Video eine ganz eigene Schöpfungsgeschichte erzählt. Hulda Hákon wiederum schöpft Reliefbilder, auf denen mitunter ganze Krähenscharen aus der Wand ragen und in denen es immer um den Einzelnen und die Masse geht, um die Zusammenstöße zwischen Individuum und Gesellschaft. Der Maler Helgi Thorgils Fridjónsson wiederum hat es mit dem nackten Mann, der fliegt durch seine Bilder, der steht und sitzt und wirkt doch fremd in seiner Heimat Welt. Seine Geschichten sind surreal, während der Maler Erró sich ganz auf die Seite der Pop-Art geschlagen hat – aber das auf eine Weise, die in diesem Genre ungewohnt wirkt: hochpolitisch, ätzend ironisch, kritisch.

Eine abwechslungsreiche Ausstellung, die allen, die zusehen wollen, viel zu erzählen hat.

Saga – wenn Bilder erzählen. Kunst aus Island in der Kunsthalle Recklinghausen. Große-Perdekamp-Straße 25-27. Bis 6. Juli, di – so 11 – 18 Uhr. Eintritt: 3 Euro, erm. 1,50 Euro. Tel. 02361/ 50 19 35, www.kunst-re.de, Katalog: 20 Euro.