Recklinghausen. . Mit der Shakespeare-Adaption „Der Sturm“ des Isländers Gisli Örn Gardarsson vom Münchner Residenztheater begannen die Ruhrfestspiele: ein Horrorgemälde aus Blut und Folter, das in nur 75 Minuten über die Bühne ging.
Vorstandsvorsitzende sollten bei Versprechungen doch Vorsicht walten lassen. Klaus Engel vom Ruhrfestspiel-Sponsor Evonic Industries jedenfalls fühlte am Samstag seine Shakespeare-Kenntnisse noch derart gesichert, dass er voller Überzeugung den Zuhörern in seiner Rede zur Eröffnung des Festivals gute Unterhaltung bei des Großdichters Alterswerk „Der Sturm“ wünschte.
Aber da hatte er die Rechnung ohne das Regietheater gemacht. Denn die Inszenierung des Isländers Gisli Örn Gardarsson vom Münchner Residenztheater macht aus einem fantastischen Märchen eine finstere Racheorgie, ein Horrorgemälde aus Blut und Folter. Nun kann man Shakespeares Schauspiel in der Tat als ein Werk der Unentschlossenheit betrachten. Wie hier der ehemalige Mailänder Herzog Prospero vom eigenen Bruder aus seinem Amt vertrieben wird, wie er mit kleiner Tochter Miranda schließlich Zuflucht auf einer einsamen Insel findet und dort seinen Gegnern Rache schwört, das will so gar nicht zu dem versöhnlichen Schluss voll von Reue und Verzeihung passen. Bei Garderssondarf Prospero deshalb auch seinen Vergeltungsdrang voll ausleben. Wenn der hier schließlich durch Zauberkraft sämtliche Widersacher auf seiner Insel stranden lässt, dann beginnt die radikale Abrechnung.
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Liebe ist fehl am Platz
Als Gedankenspiel durchaus brauchbar, benutzt der Regisseur diese Lösung jedoch nur dazu, um einen Streifzug quer durch die Pulp Fiction des Kinos zu unternehmen. Alles spielt in einem Käfig, der nach Folterkeller internationaler Geheimdienste aussieht. Im Untergrund röchelt der Hexensohn Caliban zwischen Puppen und menschlichen Leichenteilen, oben dreht sich eine Geisterbahn voll mit Zombies, Killern aus Italo-Western, Laser-Schwert-Kriegern aus „Star Wars“ und Zeitlupen-Figuren aus „Matrix“. Manfred Zapatka, angetan wie ein Zirkusdirektor, muss derweil seinen facettenreichen Prospero auf die Maße einer eindimensionalen Rachemaschine reduzieren.
Wer den „Sturm“ nicht kennt, ist hier verloren. Bei nur 75 Minuten Spielzeit werden ganze Textblöcke über Bord geworfen, verkommt die Romanze zwischen Miranda und dem Königssohn Ferdinand zur Fußnote. Liebe ist hier fehl am Platz.