Köln. . BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken erzählt von seinen Beweggründen, sich für das Aktionsbündnis „Birlikte“ (Zusammenstehen) stark zu machen. Dabei ergründet der Musiker nicht nur seine Vergangenheit, sondern spricht auch über die Ziele von Birlikte und wie BAP sich einbringt.
Vor zehn Jahren zündeten Mitglieder der rechtsradikalen NSU in der vor allem von Türken und Kurden bewohnten Keupstraße in Köln-Mülheim eine Bombe. An Pfingsten (7. bis 9. Juni) erinnert das Bündnis „Birlikte“ (Zusammenstehen) an die Opfer. Dabei ist auch BAP-Chef Wolfgang Niedecken, (63). Susanne Schramm sprach mit ihm.
Wie kam es dazu, dass Sie beim „Bündnis Birlikte“ mitmachen?
Wolfgang Niedecken: Zum ersten Mal mit türkischen Mitbürgern in Kontakt gekommen bin ich schon in den 1970er-Jahren. Ich habe damals in einem Haus in der Teutoburger Straße, in der Südstadt gewohnt, da war ich bei allen türkischen Familien, die da auch gewohnt haben, immer willkommen. Insofern musste ich nicht überredet werden, dabei zu sein, weil ich einen ganz, ganz persönlichen Zugang zu dem Thema habe. Ich bin seit drei Tagen aus der Türkei zurück, wo ich drei Wochen Urlaub bei Freunden gemacht habe. Wenn es um türkische Menschen geht, braucht mich keiner zu überreden.
Funke Mediengruppe unterstützt das Bündnis
Unter dem Motto „Birlikte - Zusammenstehen“ setzt ein Aktionsbündnis mit einer dreitägigen Veranstaltungsreihe in Köln ein Zeichen der Versöhnung zum 10. Jahrestag des Nagelbomben-Anschlags in der Keupstraße. Die Funke Mediengruppe unterstützt das Ereignis.
Höhepunkt ist eine 6-stündige Kundgebung Pfingstmontag mit BAP, Udo Lindenberg, Peter Maffay, Bundespräsident Joachim Gauck und Sigmar Gabriel.
Kann so ein Kunst- und Kulturfest tatsächlich etwas bewirken?
Wolfgang Niedecken: Da wird ja nicht plötzlich auf Kommando Betroffenheit anberaumt. Ich denke, dass das sehr gut vorbereitet sein wird und auch, dass die ganzen Mitwirkenden sich dazu ihre Gedanken gemacht haben. Das alles, auch das, was da am Montag auf der Bühne abgeht, wird Hand und Fuß haben. Und wenn die Leute wirklich zusammen finden, dann ist das sehr viel wert. Natürlich könnte man ein Jahr lang 365 Tage jeden Tag ein Fest zu einem anderen Problem feiern – und hinterher wären dann alle Probleme gelöst. Aber so einfach ist das leider nicht. Problemlösungen sind langwierige Prozesse.
Mit dem Stück „Arsch huh“ haben Sie schon 1992 Position bezogen…
Wolfgang Niedecken: Der, der in dem Stück morgens in die Bäckerei geht und neben ihm steht so’n Typ im Blaumann, der was Fremdenfeindliches sagt, der war ich selbst. Das ist mir tatsächlich passiert, als ich morgens Brötchen holen war. Und ich hab’ mich später gefragt, wieso hab’ ich nicht reagiert? Wieso hab‘ ich nicht mal widersprochen? In einer Bäckerei mal einen Idioten kurz vor die Pumpe laufen lassen, das muss ja wohl drin sein. Gerade bei kleinen Dingen, im persönlichen Leben fängt das mit der Zivilcourage an. Es gibt keinen Grund zu kneifen.
Was sagen Sie zum Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der letztes Wochenende in der Lanxess-Arena gesprochen hat?
Wolfgang Niedecken: Ich glaube nicht, dass wir den Oberlehrer spielen sollten: Das kriegen die Türken ganz gut unter sich geregelt. Es geht vor allem um den Anschlag und darum, dass wir dafür sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommt. Ich glaube alles andere wäre anmaßend. Aber selbstverständlich habe ich eine Meinung zum Thema Erdogan, vor allem wie er Religion instrumentalisiert und was die Korruption betrifft. Aber wie gesagt, darum geht es bei Birlikte nicht.
Wie wird sich BAP bei „Birlikte“ einbringen?
Wolfgang Niedecken: Wir werden nicht auf die Bühne gehen und da „Waschsalon“ und „Verdamp lang her“ durchprügeln. Das passt nicht da hin. Wir machen was Filigraneres, auch weil wir gerade auf einer Unplugged Tour sind. Zurzeit proben wir ein Lied aus den Siebziger Jahren, „Neppes, Ihrefeld un Kreuzberg“ wieder ein, das von Gastfreundschaft handelt. Das war damals zwar leicht naiv, aber es hatte das Herz auf dem richtigen Fleck. Den Text habe ich für „Birlikte“ noch mal durch meinen TÜV geschickt, und wir spielen es auf der Tour Abend für Abend.
„Birlikte“, 7. Juni bis 9. Juni, rund um die Keupstraße, Köln-Mülheim. Mit Theaterpremiere des Schauspiels am Samstag (19 Uhr), „Offener Keupstraße“ mit 30 Bühnen am Sonntag (11 bis 23 Uhr) und großer Kundgebung mit Musik- und Wortbeiträgen am Montag (15.45 bis
22 Uhr). Details: www.birlikte.info