Essen. Dem schillernden Modezaren widmet sich eine filmische Biografie. Ihre eigentliche Stärke hat sie in einem sensationellen Hauptdarsteller: Pierre Niney ist ein derart lebensecht wirkender Yves Saint Laurent, dass man sich gelegentlich in einer Dokumentation wähnt.

Jalil Lesperts Film über den französischen Star-Couturier Yves Saint Laurent ist ein Film über zwei Menschen mit einer außerordentlichen Begabung. Da ist die Titelfigur, ein Modedesigner „extraordinaire“, gestorben 2008, der schon mit 21 Jahren an der Spitze des Hauses Dior steht. Aber da ist auch sein Darsteller Pierre Niney, der mit 21 Jahren jüngstes Mitglied der ComédieFrançaise wird und dem es auf der Leinwand tatsächlich gelingt, etwas von dem Wesen des in der Öffentlichkeit stets maskenhaft und scheu wirkenden Saint Laurent zu vermitteln.

„Yves Saint Laurent“ lebt vor allem von der Energie der Schauspieler, weniger von der Kunst der Regie. Lespert und das Drehbuch halten sich eng an die Biografie von Laurence Benaim, Episode an Episode wird aneinandergereiht, manchmal elegant, oft sprunghaft. Nur kurz erlebt man Saint Laurent zu Beginn in Algerien, wo seine Familie lebt und man ihn schon beim Skizzieren von Kleidern sieht. Nur ein paar Minuten weiter trifft man ihn bereits als Chefdesigner bei Dior, ohne dass man sinnlich etwas hätte erfahren können über die Kunst des Ausnahme-Talents.

Ein unerschrockener Kämpfer für seinen Gefährten

Eine Haltung gewinnt der Film erst, als der homosexuelle Saint Laurent in Gestalt des Künstler-Agenten und Geschäftsmannes Pierre Bergé (Guillaume Gallienne) den Mann fürs Leben entdeckt. Nun ja, nicht so ganz, denn später wird Saint Laurent sich auch „unsterblich“ in den Dandy Jacques de Bascher verlieben, was ein tiefes Zerwürfnis des Paares zur Folge haben wird. Bascher gilt eigentlich als Geliebter von Karl Lagerfeld, der sich in Gestalt von Nikolai Kinski in so mancher Ecke des Films herumdrückt und von dem es gerüchteweise heißt, er habe seinen Gespielen nur weitergereicht, um Saint Laurents dauerhaften Erfolg zu destabilisieren.

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Tatsächlich gelten der Genius Saint Laurent und sein Manager Bergé lange Zeit als das Traumpaar der von Klatsch und Tratsch zerfressenen Künstlerszene von Paris. Bergé ist es, der seinen Geliebten stützt, als der einen Einberufungsbefehl zum Militärdienst im Algerien-Krieg erhält, daraufhin einen Nervenzusammenbruch erleidet und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Bergé ist es, der das Unternehmen Dior verklagt, als man Saint Laurent deshalb fallen lässt. Und dieser unerschrockene Kämpfer für seinen Gefährten ist es auch, der daraufhin unermüdlich Investoren sucht für ein eigenes Yves Saint Laurent Label.

Mixtur aus Scheu und Arroganz

Eigentlich ist es kein Wunder, dass dieser ungemein sympathische Kerl hier als die eigentliche Identifikationsfigur erscheint, die auch noch den Erzähler geben darf. Schließlich hat der noch lebende Bergé dem Film nicht nur seinen Segen gegeben, sondern auch dafür gesorgt, dass all die historischen Modenschauen, die viel zum Glanz des Films beitragen, mit Originalkostümen aus den Museen ausgestattet werden konnten. Leider verhindert das Tempo des Films, dass man auch als Zuschauer ausgiebig in diesen Kreationen schwelgen kann. So darf man beispielsweise nur hinnehmen, dass der Blick auf ein Gemälde Mondrians beim Modeschöpfer genug Fantasie auslöst für eine ganze Mondrian-Kollektion.

Dafür aber zaubert Hauptdarsteller Pierre Niney mit seiner Kunst einen derart lebensecht wirkenden Yves Saint Laurent, dass man sich gelegentlich in einer Dokumentation wähnt. Er hat diesen Menschen genau studiert, hat sich die stets ein wenig verlegen klingende Sprechweise angeeignet, hat das Gegeneinander von Scheu und Arroganz förmlich in sich aufgesogen. Und wenn dieses Mode-Genie schließlich den Drogen verfällt, dann macht Niney deutlich, wie tief dieser Sturz für einen Mann ist, der einmal Eleganz zu seinem Lebensziel gemacht hat.