Essen. Zwei deutsche Filme, die alles andere sind als flaches Unterhaltungskino, starten diese Woche. Zwei Filmemacher zeigen das Potenzial der deutschen Kinoszene und ihrer Darsteller: Dietrich Brüggeman mit „Kreuzweg“ und Philip Gröning mit „Die Frau des Polizisten“.

Es gibt sie tatsächlich noch, die kleinen Zeichen und Wunder, selbst im deutschen Film. Es gibt sie tatsächlich noch, die wagemutigen Filmemacher, die sich quer stellen zu allen Normen eines immer eintöniger werdenden Filmbetriebs. Gleich zwei Filme kommen in dieser Woche ins Kino, die mehr verlangen als flüchtiges Goutieren, die Zuschauer fordern, quälen und treffen wollen.

Dietrich Brüggemans „Kreuzweg“ und Philip Grönings „Die Frau des Polizisten“, so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben doch viel gemeinsam. Beide geben sich mit einer Einteilung in Kapitel formaler Strenge – und beide steuern mit unerbittlicher Konsequenz auf eine Katastrophe zu.

Ein „Kreuzweg“, das sind 14 mit Bildern versehenen Stationen, in denen das Leiden Jesu nachgezeichnet wird. In Brüggemans Film übernimmt diese Rolle die 14-jährige Maria (von berührender Intensität: Lea van Acken), deren eigenes Martyrium von ähnlicher Unabwendbarkeit ist wie das des Gottessohnes. Das Mädchen fühlt sich allmählich ausweglos zerrieben zwischen ihren eigenen bescheidenen Bedürfnissen und der Fuchtel einer erzkatholischen Mutter (Franziska Weisz), die ihr Kind in den Firm-Unterricht der extrem konservativen Priesterbruderschaft St. Paulus schickt.

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Der ebenso wortgewandte wie fanatische Pater Weber (Florian Stetter) begreift seine Aufgabe dort denn auch mehr als Gehirnwäsche. Zu „Soldaten Gottes“ will er die Kinder erziehen, lehrt sie, das Böse in der Popmusik zu erkennen und das noch Bösere im Konsum von Jugendzeitschriften.

Film folgt den 14 Stationen des Kreuzweges

Maria leidet immer mehr daran, es der Mutter nie recht machen zu können, gleichzeitig aber jeden Kontakt mit Gleichaltrigen zu verlieren. In ihrer Verzweiflung will sie Gott ein Opfer bringen: Ihr Leben möchte sie geben, damit ihr kleiner Bruder endlich sprechen kann. Brüggemann kleidet diese konsequente Entscheidung in die 14 Stationen des Kreuzweges, wobei es in keiner der Stationen einen Schnitt oder eine Kamerabewegung gibt. Eigentlich merkt man es kaum, denn die großartigen Schauspieler sind derart perfekt in ihren Bewegungen choreographiert, dass man immer wieder den Eindruck von Großaufnahmen und Totalen hat.

Doch so kunstvoll die Regie dies alles auch konzipiert hat, inmitten von all dem vergeht Maria allmählich wie eine welke Blume, Opfer der Engstirnigkeit ihrer Erzieher. Brüggemann hat sich den einzigen Bilderschwenk für die letzte Einstellung vorbehalten: Da gleitet die Kamera von Marias Grab hinweg allmählich nach oben in die Wolken. Himmelfahrt.

Philip Grönings „Frau des Polizisten“ fordert den Zuschauern, nicht zuletzt durch eine Länge von fast drei Stunden, noch sehr viel mehr ab. Dieser Regisseur, der zuletzt mit dem Dokumentarfilm „Die große Stille“ begeistern konnte, nimmt sich hier am Beispiel einer jungen Kleinfamilie im ländlichen Ostwestfalen des Themas „Häusliche Gewalt“ an. Das klingt nur nach Thesenfilm, tatsächlich aber ist der Ansatz des Regisseurs viel komplexer.

Er unterteilt sein Werk in immerhin 59 Kapitel, jeweils durch lange Schwarzblenden unterteilt, und scheut dabei auch vor irritierenden Einsprengseln nicht zurück. Erstaunlich ist auch die traditionelle Struktur der Familie: der Vater (David Zimmerschied) als Ernährer bei der Polizei, die Frau (Alexandra Finder) nur Hausfrau und Mutter, das Kind nicht einmal im Kindergarten. Ganz auf sich selbst zurückgeworfen, wirken die drei manchmal wie Mäuse im Labor.

Gewalt schleicht sich unsichtbar ein

Die Gewalt schleicht sich fast unsichtbar ein, nie wird sie plakativ zur Schau gestellt. Erst sieht man nur, ganz beiläufig, ein Hämatom am Rücken der Frau. Später dann, im Bad, folgt der geschockte Blick auf einen von braunen Flecken überzogenen Körper. Verzweifelt bemüht man sich trotzdem, der Kamera gegenüber den Traum von der heilen Familie nicht sterben zu lassen. Aber wenn schon zu Beginn nicht viele Worte gemacht wurden, so lastet das Schweigen mit der Zeit immer bedrohlicher. Man mag den Regisseur, der auch für Drehbuch, Schnitt und Kameraverantwortlich ist, in mancher Hinsicht prätentiös nennen. Aber wie hier die Bildsprache mit der Zeit die sich verschlimmernde Situation aufnimmt und verfremdet, wie hier leise von etwas Monströsem erzählt wird, das ist jeden Kinobesuch wert.