Bochum. Sehr realistisch hat Eric de Vroedt „Freitag“ von Hugo Claus inszeniert. Er zeigt die tiefen Risse in einer kleinbürgerlichen Familie, geht der Frage nach Sünde und Schuld nach und schildert den Kampf um Erlösung. Fazit? Kurzer kräftiger Applaus, zwei Bravo-Rufe, ein schüchternes Buh.
Ein Mann kommt aus dem Gefängnis. Seine Frau hat ein Baby mit dem Nachbarn. Wie es mit der Ehe weitergeht, ist die eine Frage. Die andere ist noch mörderischer: Was geschah an dem Abend, der dafür sorgte, dass Georges wegen Missbrauch seiner Tochter ins Gefängnis musste?
Hugo Claus’ „Freitag“, das Eric de Vroedt in den Kammerspielen hyperrealistisch inszeniert hat, bohrt tief in den Seelen, fragt nach Schuld und Vergebung. Genauer: nach der Möglichkeit davon.
Peinvoll ausagierendes Begehren zwischen Vater und Tochter
„Ich bohre mich fest in dir wie eine Schraube“ sagt die Tochter in der Flashback-Szene der Inzest-Nacht. Die Inszenierung zeigt diese als in Fragmente zerlegte 20-minütige Video-Einspielung. Ein sich peinvoll ausagierendes Begehren zwischen Vater und Tochter, am Boden zwischen leeren Flaschen und Pizzakartons. Eine schäbige Sünde, die dem Zuschauer eine unangenehme Schuldfrage vor die Füße wirft. Eine, die von Gesellschaft und Religion immer schon beantwortet ist. Georges muss damit leben, genauso wie seine Ehefrau, deren Geliebter und auch die Tochter.
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De Vroedt und Bühnenbildner Maze de Boer ermöglichen sezierenden Einblick in die Kleinbürgerwohnung. Riesig im Zentrum: Jürgen Hartmann als „Schorsch“. Ein Biberkopf, ein Leidender. Doch einer, der kämpft. Sein Kampf um Erlösung, oder im stets mitschwingenden katholischen Subtext: um Exorzismus. Manchmal zu breitwandig ausgewalzt, manchmal stereotyp. Dennoch frappierend genau inszeniert, mit einem tollen Ensemble.