Mülheim/Ruhr. . Das Land Nordrhein-Westfalen ehrt den Macher des Theaters an der Ruhr am Mittwoch mit seinem Staatspreis – als „Brückenbauer zwischen den Kulturen“. Der 79-jährige ist gerade von einer Gastspielreise in Algerien zurück, wo das Mülheimer Theater als erstes deutsches überhaupt aufgetreten ist.
„Es ist nur eine Frage der Zeit, dann bin ich wieder modern“, hat Roberto Ciulli vor sieben Jahren einmal gesagt. Wahrscheinlich ist der feste Glaube daran der tiefere Grund, warum Ciulli heute, mit 79 Jahren, immer noch Intendant jenes Theaters an der Ruhr ist, das er 1980 zusammen mit dem Dramaturgen Helmut Schäfer gründete. Dabei ist der immer noch hörbar aus Mailand stammende Ciulli eigentlich seit Jahrzehnten modern.
Nicht nur, weil er ein hochpolitisches, bewusstseinsprägendes Theater mit poetischen Bildern verbindet, sondern weil er Theater als eine universale Sprache begreift, die immer verstanden werden kann, egal, in welchem Teil der Welt die Bühne steht. Ciulli und sein Theater an der Ruhr gehören, neben den Bildern von Gerhard Richter und dem Tanztheater Pina Bausch zu den erfolgreichsten kulturellen Exportartikeln des Landes. Deshalb bekommt Roberto Ciulli Dienstagabend in der Düsseldorfer Staatskanzlei den mit 25.000 Euro dotierten Staatspreis des Landes NRW verliehen.
Gastspielreisen zur Etat-Sicherung
Gerade erst ist Ciullis Theatertruppe von einer Gastspielreise in Algerien zurückgekehrt, wo mitunter etliche Plätze unbesetzt blieben und manche Zuschauer nach einer Nacktszene entrüstet das Theater verließen.
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Ciulli und seine Schauspieler verdrießt das nicht; sie sind es seit Jahrzehnten gewohnt, Pionierarbeit zu leisten, mit Gastspiel-Reisen ins sozialistische Polen, in den fundamentalistisch regierten Iran (als erstes westliches Theater nach der Machtübernahme der Mullahs) oder auch nach Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Turkmenistan und Kurdistan. Dieses Theater und sein Intendant betreiben eine Art Diplomatie auf offener Bühne.
Bei seinen Tourneen ist das Theater an der Ruhr allerdings nicht nur als „Brückenbauer zwischen den Kulturen“ unterwegs, als der Ciulli heute mit dem Staatspreis ausgezeichnet wird. Sie sind auch eine Existenzgrundlage dieser einzigartigen Bühne, die sich die Hälfte ihres Etats durch eben diese Gastspielreisen hereinholt.
Große und elegante Gesten
Roberto Ciulli, der nach einem Philosophiestudium und als Gründer des Zelttheaters „Il Globo“ 1965 nach Deutschland kam, arbeitete zunächst am Deutschen Theater in Göttingen und dann auch an den Schauspielhäusern Köln und Düsseldorf. Sein Faible für phantasievolle Bilder aus Menschen und Bühnen hat eine leicht zirzensische Note, sein Auftreten mit großen, eleganten Gesten voller Freundlichkeit nicht minder.
All dies verhindert, dass aus seinem Theater mit aufklärerischem, kritischen Impuls eine reine Lehrstunde wird; für Roberto Ciulli war stets die sinnliche Seite seiner Universalsprache ebenso wichtig wie die intellektuelle. Dass es ihm bei alledem seit Jahren schon schwer fällt, an der idyllisch gelegenen Bühne im Raffelbergpark die Zügel aus der Hand zu legen, ist nur allzu verständlich: Ohne ihn wäre dieses Theater ein anderes.