Essen. Ehe sich Essens neuer Generalmusikdirektor kommende Woche als Dirigent von Verdis „Macbeth“ im Aalto vorstellt, deutete er jetzt drei Abende lang das „Requiem“ des Meisters. Die Anlagen sind gewisss gut, eine Antwort auf die sensible Akustik hat Netopil noch nicht.
Viel Anfang in Essen: Mit Hein Mulders haben nicht nur Aalto und Philharmonie erstmals einen Chef in Personalunion; nach anderthalb Erfolgsjahrzehnten ist auch der Generalmusikdirektor der Philharmonikern neu: Tomáš Netopil.
Totenmesse zum Geburtstag
Diese Woche (heute Abend, 20 Uhr, zum letzten Mal) gratulierte der Tscheche mit seinem neuen Orchester Giuseppe Verdi in der Philharmonie gleich drei Mal zum 200. Mit dem „Requiem“. Eine Totenmesse zum Geburtstag? Ja, was will man in einem Konzerthaus auch aufführen, wo der Rest im Schaffen des italienischen Titanen einzig Opern und ein Windhauch Kammermusik sind?
Auch interessant
Diese „Messa“ ist scheinkatholisch mit doppeltem Boden. Verdis Skepsis gegenüber Kanzel und Klerus hielt ein Leben lang. Der Ortspfarrer durfte nur in Ausnahmen das von ihm finanzierte Krankenhaus besuchen. Immerhin ließ Verdi die ganze Wucht eines Opernorchesters auf die Liturgie los: ein Markstein kirchenmusikalischer Wagnisse.
Viel Druck behindert die Transparenz
Die Meriten dieses Wunderwerkes waren vor vollem Hause freilich nicht in Gänze zu hören. Zwar wohnte Netopils mysterienselig aus dem Nichts hervorsteigender Streicher-Eröffnung echter Zauber inne. Bald aber überforderte er lautstark die prachtvolle Akustik an der Huyssenallee.
Das ist das Tückische an diesem wunderbaren Raum: Wer mit Druck alles gibt, bekommt schlimmstenfalls nichts zu hören. Nicht allein in den gotteszornigen Ausbrüchen ging viel delikate Struktur verloren. Todestoben ja, Transparenz dagegen hörten wir die ganzen anderthalb Stunden einzig und damit viel zu selten in den (von allen Beteiligen fabelhaft modulierten) gehauchten Jenseitigkeiten.
Netopil hat gute Referenzen. Dass man nicht immer hört, was er probt, lässt sich richten. Weniger kann künftig mehr sein auf seinem Weg mit diesem hochklassigen Orchester. Der Chor hatte sensible Momente, im Solistenquartett quälten den neuen Aalto-Tenor Alexey Sayapin beim „Ingemisco“ Influenza-Kratzer. Auch Liang Lis edler Bass ist neu im Essener Ensemble – eine Riesenstimme, ein echter Gewinn.