Was im Kopf des amerikanischen Schriftstellers Paul Auster vorgeht, das hat er uns in vielen, vielen Romanen und Essaybänden verraten. Nun offenbart der 66-Jährige, wovon sein Geist geprägt wurde: im soeben erschienenen „Winterjournal“.
Was im Kopf des amerikanischen Schriftstellers Paul Auster vorgeht, das hat er uns in vielen, vielen Romanen und Essaybänden verraten. Nun offenbart der 66-Jährige, wovon sein Geist geprägt wurde: Im soeben erschienenen „Winterjournal“ erzählt er von seinem Körper.
Nackte Füße auf kaltem Boden: Da war Paul Auster sechs Jahre alt und aus dem Bett gestiegen, um den ersten Schnee zu sehen. Oder: die Hitze eines Sommertages, der Schweiß eines Zehnjährigen. Auster ergründet, „wie es für dich war, in diesem Körper zu leben“, er schreibt einen langen Brief an sich selbst, in der zweiten Person.
Diese Art der Selbstanrede ist ebenso ungewohnt wie Austers Perspektive. Schließlich gilt der Körper heute als etwas, das formbar und in Form zu bringen sei, ein Spielfeld der Selbstdarstellung, ein Instrument. Paul Auster kehrt diese Sichtweise um. Nicht er prägt seinen Körper. Die Tatsache, dass er einen Körper hat, formt sein Leben.
Zu den Erinnerungen gehören überraschend schöne Nächte
Im Guten: Zu Austers Erinnerungen gehören überraschend schöne Nächte mit Prostituierten in Paris oder überraschend spontane Knutschereien mit fremden Sitznachbarinnen im Flugzeug – und natürlich die nun schon Jahrzehnte währende Ehe mit Schriftstellerin Siri Hustvedt.
Oder im Schlechten: Den ersten Erinnerungen an Verletzungen – eine Harke auf dem Kopf, eine von einem Nagel eingerissene Wange – stellt Auster die Panikattacken gegenüber, die er in späteren Jahren hatte. Etwa nach dem Tod seiner Mutter: Keine Träne kam da aus seinen Augen, stattdessen fand er sich plötzlich, nach zu viel Bourbon in der Nacht und zu viel Kaffee am Morgen, niedergestreckt auf dem Küchenfußboden. Was den Leser kaum wundert: „Ja, du trinkst zu viel und du rauchst zu viel“, heißt es einmal, „du hast Zähne verloren und niemals ersetzen lassen, dein Speiseplan hält sich nicht an die Vorgaben aktueller Ernährungsprinzipien.“
Und doch ist dieser kranke, alternde, verfallende Körper ein Instrument. Denn wenn er geht, sich durch die Stadt bewegt, entstehen im Rhythmus des Gehens Sätze. „Gehen trägt dir die Worte zu“, so Auster: „Schreiben beginnt im Körper, es ist die Musik des Körpers.“ Diese Autobiografie des Physischen erlaubt eine ungewöhnliche Nähe: zum Schriftsteller, vor allem aber zum Menschen Paul Auster.
>> Paul Auster: Winterjournal. Rowohlt Verlag, 256 Seiten, 19,99 €