Frankfurt/M. . Einmal im Jahr treffen in Frankfurt Welten aufeinander. Verleger, Prominente, etablierte Autoren und Nachwuchs-Literaten: Dieses Jahr haben sich 7300 Aussteller, davon 1500 Autoren, auf dem Messegelände versammelt. Die weltgröße Bücherschau hat viel zu bieten – Künstlerisches, Komisches, Kurioses.

Heißt es nicht immer, die eigentlichen Messegeschäfte fänden an der Bar des Frankfurter Hofs statt? Und geflirtet würde abends auf den Verlagspartys, bei Piper im Velvet Club, bei Random House im Bockenheimer Depot, bei Rowohlt in der Kunsthalle Schirn? Dabei ist in Frankfurt rund um die Uhr überall Buchmesse: Morgens um neun in der S-Bahn erklärt ein ehrgeiziger Amazon-Mitarbeiter einer französischen Lektorin wortreich die Verspätung, verteilt ein aufstrebender italienischer Kleinverleger seine Visitenkarten an alle Umsitzenden: Hey, see you – au revoir.

In Frankfurt werden die Weichen gestellt, noch immer und nicht nur in der S-Bahn. In diesem Jahr feiert das Agentenzentrum, der „Maschinenraum“ der Messe, seinen 35. Geburtstag: Knapp tausend Literatur-Agenten und -Scouts eilen hier in einer Halle von Tisch zu Tisch und jagen den Bestsellern von Morgen nach, ein Handel im Tempo des Speed Dating: Wer bietet mehr? Direkt angrenzend aber darf man die Bücher von gestern bestaunen: antiquarische Schätze, die den Glauben ans Buch neu beleben. Das waren noch Zeiten.

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Dieses Nebeneinander des Realen und Virtuellen, des Gestrigen und Zukünftigen ist vielleicht typisch für eine Branche im Wandel. Etwa im Gastland-Pavillon: Hier strampeln die Besucher auf altertümlichen Fahrrädern, um sich hochmoderne Videos anzuschauen, oder genießen in Hängematten aus Leinen Lyrik in Wort und Bild. Brasiliens Präsentation, eher bodenständig denn innovativ, ist möbliert mit geschwungenen Bücherwänden und Tischen, die zum Lesen einladen. Eine ältere Dame, die ein Gedicht abfotografiert, aber wird sogleich ermahnt: „Das verstößt gegen jedes Urheberrecht!“

Die Nervosität scheint berechtigt. Die Branche bangt um die Buchpreisbindung (Börsenvereins-Vorsteher Honnefelder brachte in seiner Eröffnungsrede nochmals das Thema Freihandelsabkommen auf), zugleich steigen Ebook-Verkäufe und Internet-Geschäfte – jedes sechste Buch wird bereits im Internet erworben. Das Digitale gewinnt an Boden, auch ganz real, in Messestand-Metern nachvollziehbar. Gigantisch ist der Stand von „Books on Demand“, groß präsentieren sich Selbstverleger-Anbieter in der neuen „Selfpublishing-Area“, und Sony zeigt seinen „Reader“ als riesiges gläsernes Regal. Wer will, kann heute mit „Tigercreate“ eine eigene multimediale App gestalten, oder sich mit der App „Flipintu“ mit anderen Lesern vernetzen. Der Trend zum Selbermachen spiegelt sich in der alten Bücherwelt ebenfalls wieder: Unter der Überschrift „moderne Handmade-Generation“ firmieren Bastel- und Kritzelbücher, die das Kind im Leser wecken.

"Klassenzimmer der Zukunft" mit 3D-Brillen

Für (echte) Kinder und Jugendliche hebt das „Klassenzimmer der Zukunft“ in ganz neue Sphären ab: Mit 3D-Brille lassen sich hier Computeranimationen erleben, mit deren Hilfe man durch architektonische Großprojekte oder chemische Formeln spazieren kann. Auch im neu eingerichteten Kinder- und Jugendbuch-Areal lockt allerlei digitale Spielerei: Lesestifte, Apps und Programme – und ein „Warrior-Cats“-O-Mat. Die Fotomaschine verpasst Besuchern ein derart katzenhaftes Gesicht, dass sie sich selbst kaum wiedererkennen.

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Von Britta Heidemann

Durchaus wie er selbst sieht, nur einige Meter weiter, Uwe Ochsenknecht aus: nämlich zerknautscht. Für die Fotografen stellt er sich neben das Werbeplakat für seine Autobiografie, während Ingrid Steeger, die auch ein Buch geschrieben hat, sich keck die Baskenmütze ins Gesicht zieht. Und selbst die neue Buchpreisträgerin Terézia Mora lächelt gut gelaunt in die Kamera: Sie hat nämlich die hämischen Sätze eines Denis Scheck („Diese Autorin ist selbst ein Ungeheuer“) gar nicht wahrgenommen - weil sie sich, verrät ihr Pressesprecher, erst zum Nikolaustag alle Kritiken schicken lassen wird.

Sven Hannawald und Rita Falk auf dem "Walk of Fame"

Promis und Schriftsteller, Kunst und Kommerz: Frankfurt zog auch diese Gegensätze immer schon an. Neuerdings mit einem eigenen „Walk of Fame“: Sven Hannawald, Marion Poschmann oder Rita Falk werden hier geehrt, allerdings sind ihre Sterne auf dem Asphalt nur aufgesprüht – Ruhm ist vergänglich. Mancher mag da versucht sein, sich wie Leon de Winter gleich selbst zur Romanfigur zu machen, ein Porträt auf ewig. Auf einer der vielen Plauder-Bühnen erzählt der Niederländer zudem, wie schwierig eine Ausbildung zum diplomierten Schutzengel sei – schade, dem gedruckten Buch hätte man einen gewünscht.

Denn was da alles verloren gehen könnte in der Welt des Virtuellen, das ist in der Abteilung Buchkunst zu bestaunen: so viele Schnörkel auf schönem Papier, feine Einbände, so viel Augenschmaus und Handschmeichelei. Mittendrin hat das Gutenberg-Museum Mainz eine hölzerne Druckpresse aufgebaut. Ein Handwerker in Lederschürze hält ein frisch gefertigtes, aber historisch wirkendes Papier in die Höhe: „Am Anfang war das Wort! Nur fünf Euro! Wer bietet mehr?“