Düsseldorf. . Die NRW-Kunstsammlung K 20 am Düsseldorfer Grabbeplatz präsentiert die erste große Alexander-Calder-Ausstellung seit 20 Jahren. Mit etwa 70 international zusammengetragenen Werken auf rund 1600 Quadratmetern wird gezeigt, wie komplexe und radikal Calder dachte.

Eine Skulptur, soviel stand mal fest, steht fest: trutzig, unbeweglich und am besten auf solidem Sockel. Bis Calder kam, jener Diplomingenieur Alexander Calder aus Pennsylvania, der als Bildhauer irgendwann alles ganz anders machen wollte als die anderen, anders auch als sein Vater und Großvater, die ebenfalls Bildhauer gewesen waren und gar keine schlechten. Zunächst fertigte er noch Zeichnungen an.

Dann, das war 1927, bastelte er im von ihm mitbewohnten Atelier von Arno Breker sein erstes bewegliches Spielzeug. Wenig später brachten ihm bewegliche Drahtkonstruktionen, besonders sein aus verschiedenen Materialien gefügter Mini-Zirkus voller hüpfender, rollender, kreisender Drahtakrobaten erste Beachtung. Internationale Berühmtheit aber erlangte er durch seine schwebenden, tanzenden, hand-, motor- oder lufthauchbetriebenen Mobiles (die sein Freund Marcel Duchamp so taufte). Auf einmal war Bewegung in die Kunst gekommen, und Calder war und blieb „der Calder“, für viele gar der „Kinderzimmer-Calder“: heiter, ver­spielt und nett.

Klingende Skulpturen

Diesen Blick will nun die neue Ausstellung der NRW-Kunstsammlung am Grabbeplatz (K20) erweitern. Mit etwa 70 international zusammengetragenen Calder-Werken auf rund 1600 Quadratmetern will Kuratorin Susanne Meyer-Büser anschaulich machen, dass Alexander Calder (1898-1976) erheblich komplexer und radikaler dachte, als die Nachwelt den dreimaligen Documenta-Teilnehmer abgespeichert hat.

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„Avantgarde in Bewegung“ ist die Schau betitelt, die ihn ab Samstag seinen europäischen Kunstfreunden Piet Mondrian, Joan Miró und Hans Arp gleichberechtigt zur Seite stellt – und in einigen Aspekten sogar ein Stückchen voran.

Es sind die hochkreativen 1930er- und 1940er-Jahre, auf die sich die Ausstellung konzentriert. Jene Jahre, in denen Calder, angeregt durch Mondrian, seinen Weg in die Abstraktion und zu seiner ureigenen Formensprache fand. Es spricht für die Düsseldorfer Sammlungs-Kultur, dass das K20 mit ei­ner unbetitelten Skulptur aus dem Jahr 1936 ein Schlüsselwerk aus ei­genen Beständen präsentieren kann.

Der Kalder-Cosmos ist vielseitig

Die Arbeit zählt zu den weniger bekannten „noise-mobiles“. Sie vereint verschiedene Materialien und organisch wirkende Formen, kombiniert Elemente der Drahtskulptur mit seinen kinetischen Visionen und etwas gänzlich Neuem: Mittels einer leichten Pendelbewegung erzeugt eine an einem Draht hängende Kugel einen – Klang. Das ist nicht der provokant-alberne Krach, den Tinguelys kinetische Schrottmonster einst verbreiten sollten; das sind minimalistische Geräusche von einer ganz eigenen Poesie.

Anhand von historischen Experimentalfilmen Duchamps und Man Rays sowie mit Klangexperimenten der Avantgarde-Komponisten (und Calder-Spezis) Edgar Varese und John Cage versinnlicht die klug gebaute Ausstellung den weiten Kunsthorizont des als handfest geltenden Amerikaners. Vermutlich hat Calder ernsthaft an der Eroberung des Raums durch Skulpturen aus Materie, Farbe, Bewegung und Klang gearbeitet.

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Wem dieser Calder-Kosmos denn doch zu abstrakt ist, der kann sich leicht an den filigranen Wunderwerken erfreuen, die nur darauf zu warten scheinen, endlich angestupst zu werden, aber schade:

Nur einer darf stupsen!

Stupsen verboten! Zur vollen Stunde betritt allerdings ein Museumsmitarbeiter die Klee-Halle und stupst. Nur der darf das! Wie tröstlich, dass schon ein leichter Luftzug ausreicht, um diese Skulpturen zum Tanzen zu bringen, das Spiel der Farben und Formen und Schatten und Kurven lebendig werden zu lassen. Wer hier bei Windstille nicht wenigstens pustet, hat das Kind in sich schon verloren.

In der lichten Grabbehalle haben die Ausstellungsmacher Calders Kunst besonders viel Raum und Luft gelassen. Da begegnen wir dem anderen Calder, der auch ganz anders kann als filigran. Hier setzt ein „stabile“ einen dunkel-wuchtigen Kontrapunkt zu all den „mobiles“ aus Holz und Blech: Der „Ameisenbär“ (Le Tamanoir, 1963“), ein stählerner, drei Meter hoher und breiter, sechs Meter langer 2300-Kilo-Trumm voller grober Nieten und Nähte, der aussieht wie eine fette Giga-Tarantel und sonst im Rotterdamer Stadtteil Hoogvliet den Park beherrscht. Doch auch er scheint, was Jean-Paul Sartre einst über Calders Mobiles schrieb: ein „seltsames Wesen, halb Materie, halb Leben“...

  • Alexander Calder: Avantgarde in Bewegung. Bis 12. Januar 2014. Kunstsammlung NRW, K20. Grabbeplatz 5, Düsseldorf
  • Öffnungszeiten: Di-fr 10-18 Uhr, sa/so 11-18 Uhr
  • Eintritt:12 Euro, erm. 9,50€; Katalog: 29 Euro
  • www.kunstsammlung.de