Düsseldorf. . Berühren erlaubt! Bewegen, Turnen und Tanzen gewünscht! Gegen das passive Betrachten und für aktive Teilnahme kämpft die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen mit ihrer neuartigen Sommerausstellung „Move – Kunst und Tanz seit den 60ern“.

Berühren erlaubt! Bewegen, Turnen und Tanzen gewünscht! Eine Aufforderung, die in Kunsttempeln mit hochempfindlicher millionenteurer Ware eher eine Ausnahme sein dürfte. Gegen das passive Betrachten und für aktive Teilnahme kämpft die Kunstsammlung Nordrhein Westfalen mit ihrer neuartigen Sommerausstellung „Move – Kunst und Tanz seit den 60ern“. Zu sehen – pardon – zu erleben sind Objekte der letzten 50 Jahre, die den Betrachter aktivieren und damit zum Teil des Kunstwerks machen. Acht Tänzer, eigens für die Schau gecastet, sind acht Stunden im Dienst der Kunst. Prime-Time: zwischen 14 und 15 Uhr. Dann ist Schichtwechsel für die Athleten, die, frei nach Joseph Beuys’ Theorie „Jeder Mensch ist Künstler“, zum Mitmachen einladen, ob an Turnringen oder in baumelnden Seilschlingen.

Doch für Mitmach-Muffel besteht kein Grund zur Panik. Denn es ist nichts weiter als das Angebot der zuvor in London und München erfolgreichen Schau, in der sich traditionelle Museumsbesucher auch ‚nur’ an den Bewegungen und Kunstwerken ergötzen können. Ungefährlich ist es zunächst, einen der federleichten 40 Klappstühle spazieren zu führen. „Nimm einen Stuhl und trage ihn woanders hin“ lautet die Einladung der Spanierin La Ribot. Schon mehr Überwindung kostet der Gang durch Bruce Naumans Korridor aus Sperrholzplatten, der von innen grasgrün beleuchtet ist. Wegen des grellen Neonlichts und der Enge stellen sich schnell mulmige Gefühle ein.

Wer schwindelfrei ist, kann es indes wagen, in meterlangen Seil-Schlingen zu schweben, die in der Grabbehalle des K 20 von der Decke baumeln. Und zwar vor Jackson Pollocks „Number 32, 1950“ – einem Gemälde aus dem Sammlungs-Bestand, in dem die Bewegung des Künstlers selbst wie eingefroren ist.

„Hangers“ heißt die Seil-Performance der Italo-Amerikanerin Simone Forti, die in den 60ern „normale Bewegung“ erforschte und den Tanz revolutionierte. Ähnlich wie die Modern-Dance-Ikone Martha Graham, deren berühmtes Wort auf einer Zitate-Wand, in goldenen Lettern gedruckt, zu lesen ist „Bewegung lügt nie. Für die, die sie lesen können…“

Test Room wie Kinderspielplatz

Wie ein Kinderspielzimmer wirkt dagegen Mike Kelleys „Test Room“: Riesen-Dummy-Puppen, Plastikkeulen und Stahlschüsseln werden von einem Athleten in Orang-Utan-Kostüm traktiert und in nicht nur sanfte Schwingung versetzt. Auf Sandsäcke eindreschen ist hier ebenso möglich wie Urschreie ausstoßen. In einigen Zeitabständen mischen sich Tänzer in das Dekor ein, kommentieren die Objekte durch ihre Bewegung oder verwickeln den Betrachter in ein Gespräch. Es ist eine Mischung aus Bühnenbild, Spielwiese und Versuchslabor. Kein Wunder, denn der in Detroit geborene Kelley orientierte sich dabei an einem Labor, in dem Reaktionen von Affen getestet wurden.

Turnerisch begabt sollten die Besucher sein, die sich in dem Objekt mit Hunderten von Plastik-Turnringen betätigen. Um seinen lädierten Rücken gezielt zu trainieren, ließ der Tänzer und Choreograph William Forsythe (Dresden/Frankfurt) 2009 diese Kammer bauen – Titel: The Fact of matter (Die Tatsache der Sache). An reißfesten Seilen befestigt sind die Ringe, an denen der Besucher durch den Raum schwingen kann, ohne den Boden zu berühren. Der Körper spürt jedoch deutlich die Gesetze der Schwerkraft. Wie sehr wird unsere Beweglichkeit doch durch das eigene Körpergewicht eingeschränkt!

Viele Überraschungen

Neben diesen jüngeren Arbeiten stehen kinetische Modern-Klassiker, wie Skulpturen von Robert Morris, der in seinen 60er-Jahre-Performances alltägliche Bewegungen von Tänzern ausüben ließ. Aus den 70ern stammt ein Riesen-Seil-Gestell von Trisha Brown, auf der knallbunte Hemden, Shirts und Shorts liegen. Durch die Löcher kriechen die Athleten und belegen, wie schnell die Grenzen zwischen Tanz und Kunst verwischen können. Doch gliedern die Macher die Schau gottlob nicht chronologisch, sondern sorgen mit originellen Akzenten auf allen Ebenen für Überraschungen.