Köln. . Deutschen Behörden ist ein Schlag gegen eine internationale Kunstfälscherbande gelungen. Bei Razzien wurden über 1000 verdächtige Werke beschlagnahmt. Die Bande war auf Nachahmungen der russischen Avantgarde spezialisiert. Nach der Beltracchi-Affäre gibt es damit den nächsten Kunstfälscherskandal.
Nach dem Schlag gegen eine internationale Kunstfälscherbande laufen die Ermittlungen weiter. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden am Montag, ohne Details zu nennen. Vergangene Woche waren in der hessischen Landeshauptstadt zwei Männer als Drahtzieher des mutmaßlichen Fälscherrings verhaftet worden. Gegen vier weitere Tatverdächtige wird ermittelt.
Die Fahnder hatten am Mittwoch und Donnerstag bei ihren Durchsuchungen in sechs Bundesländern mehr als 1000 gefälschte Gemälde, Herkunfts- und Verkaufsunterlagen sowie Schmuck- und Wertgegenstände sichergestellt. Rund 100 Beamten des BKA und der Polizei hatten insgesamt 28 Wohnungen, Geschäftsräume, Lager und Kunstgalerien durchkämmt. Sie waren in Wiesbaden, Mainz, Stuttgart, München, Hamburg und Köln unterwegs. Durchsuchungen gab es zeitgleich auch in der Schweiz und Israel, Ergebnisse lagen aber noch nicht vor.
Kunst als Geldanlage boomt
Eine Spur könnte den Angaben zufolge zu einer Galerie in Wiesbaden führen, die 2010 geschlossen wurde. Dort war vorher vor allem Kunst der russischen Avantgarde gezeigt worden. Die zwei mutmaßlichen Köpfe der Bande wurden nach monatelangen Ermittlungen in ihren Wohnungen in Wiesbaden festgenommen und in U-Haft genommen. Gegen sie lagen seit der vergangenen Woche Haftbefehle vor.
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Der eine, ein 41 Jahre alter Deutsch-Tunesier, soll Kunsthandel betrieben haben. Der andere, ein im Libanon geborener 67 Jahre alter Israeli, gilt dagegen vor allem als Geldgeber und Führungsperson der Gruppe. Über den Verbleib der anderen vier verdächtigen Männer der Bande, die aus dem Nahen Osten und Russland stammen sollen, machten die Ermittler keine Angaben.
Die beiden Hauptverdächtigen sollen allein in den vergangenen zwei Jahren Fälschungen für mehr als zwei Millionen Euro an Kunden in Deutschland und Spanien verkauft haben. Die Sammler kauften vor allem in Auktionshäusern im Ausland. "Die haben wohl den gutgläubigen privaten Markt abgeräumt", sagte ein Kunstexperte, der namentlich nicht genannt werden will. Dabei kamen den Kriminellen der Boom zur Geldanlage in Kunst zugute.
Der nächste Kunstfälscherskandal nur eineinhalb Jahre nach Beltracchi
Verglichen mit dem jetzt aufgeflogenen Fälscherring betrieb der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi nur ein kleines Familienunternehmen. Mehr als 400 Fälschungen soll die Bande für Millionen Euro im In- und Ausland verkauft haben.
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Eineinhalb Jahre nach der Verurteilung Beltracchis stellt sich wieder die Frage, warum die Kontrollmechanismen des Kunstmarkts, der nach immer neuer frischer Ware giert, versagt haben. Denn es ist seit vielen Jahren bekannt, dass russische Avantgarde massenweise gefälscht wird. Schon 2007 überschwemmten vermeintliche Werke der revolutionären Künstler der frühen Sowjetzeit den deutschen Markt.
"Das Problem ist, dass man nicht weiß, wem man vertrauen kann", beschreibt Robert Ketterer vom Münchner Auktionshaus Ketterer den grauen Markt. Es gebe keine ähnlich verlässliche kunsthistorische Instanz oder Archive für die Avantgarde-Kunst wie etwa für Picasso. "Experten kriegen Sie wie Sand am Meer." Die Herkunft der Kunstwerke, die in der Stalinzeit versteckt werden mussten und oft jahrzehntelang hinter dem Eisernen Vorhang unter Verschluss gehalten wurden, ist schwer zu recherchieren.
Auch chemische Analysen haben Grenzen
Auch Ketterer bot 2007 ein zweifelhaftes Bild von Natalja Gontscharowa an, das mit Zertifikaten und Pigmentanalyse ausgestattet war. Das Bild wurde nicht verkauft und ging zurück an den Einlieferer. Ketterer war damals bereits misstrauisch. Russische Avantgarde gilt in großen Häusern fast schon als Gift. "Heute lehnen wir sie grundsätzlich ab", sagt Ketterer.
An der Schwachstelle Provenienz setzte der Fälscherring an. Massenweise türkte die Bande Zertifikate und gab die Bilder als bisher unbekannte Werke an. Als wichtigster Echtheitsbeweis gelten seit dem Beltracchi-Skandal aber naturwissenschaftliche Analysen. Der Chemiker Erhard Jägers, der in Bornheim bei Köln ein Labor betreibt und auch einen von Beltracchi gefälschten Max Pechstein entlarvte, hat etliche Werke geprüft.
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Seit rund 15 Jahren untersuche er verstärkt Werke der russischen Avantgarde, die ihm Privatleute, Galeristen oder Auktionshäuser vorlegen. "Die Menge hat mich schon ein bisschen gewundert", sagte Jägers. Doch auch chemische Analysen können nicht immer den letzten Beweis liefern. Denn viele Pigmente der 20er Jahre, Leinwände oder Rahmen könne man heute noch kaufen. Ein Spezialhändler in Süddeutschland liefere für Restauratoren sogar Pigmente aus dem Mittelalter. "Wenn man nichts Falsches findet, kann man noch nicht beweisen, dass es echt ist", sagt Jägers. "Das ist die Krux."
Umfassende Analysen sind teuer
Katja Baudin, stellvertretende Direktorin des Kölner Museums Ludwig, hat auf den ersten Blick erkannt, dass der vergangene Woche von den Ermittlern beschlagnahmte Malewitsch gefälscht sein muss. "Da war viel zu viel drauf auf dem Bild." Ständig werde das Museum, das eine der in Westeuropa bedeutendsten Sammlungen der russischen Avantgarde hütet, von Galeristen und Privatleuten um Einschätzungen gebeten. "Eine reine Pigmentanalyse ist nicht mehr ausreichend." Doch umfassende Analysen seien zeitaufwendig und teuer.
Die wenigen zuverlässigen Experten und auch Sammler für russische Avantgarde kenne man, sagte Baudin. Mehr als 20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion sei zudem weitgehend bekannt, was in kleinen Museen in russischen Provinzen oder Ex-Sowjetrepubliken noch hänge. "Ich glaube nicht, dass noch viele Werke versteckt sind."
Das Museum Ludwig arbeitet seit drei Jahren auch die eigene Sammlung russischer Avantgarde umfassend kunsthistorisch auf. Bei einigen Werken werde geprüft, ob es Fälschungen sein könnten, sagt Baudin. "Was nicht koscher ist, wird auch nicht mehr ausgestellt." (dpa)