Köln. .
Wolfgang Beltracchi war einmal ein Mann, der mit Kunst Millionen gemacht hat. Aber nun sind die Konten in Andorra leer, die letzte Züricher Million ist in Händen der Schweizer Justiz. Das Landgut in Südfrankreich, die Villa in Freiburg – bald alles verloren. Das einzige, was Beltracchi im spektakulären Kunstfälscher-Prozess vor dem Kölner Landgericht derzeit noch verkaufen kann, ist seine Geschichte. Und das macht er gut.
Die Geschichte handelt von einem, der auszog, dem Kunst- betrieb den Glauben an das Original zu rauben. Aber nicht deshalb steht der 60-jährige Kunstfälscher nebst drei Komplizen vor Gericht, sondern weil er Meisterwerke von den Großen der klassischen Moderne, Ernst, Pechstein, Campendonk nachgemalt hat, sich die Fälschungen von den namhaftesten Experten als echt absegnen ließ und die Bilder dann millionenschwer in den Handel brachte. Der größte Kunstfälscherskandal in der Nachkriegsgeschichte sorgt derzeit für einen rappelvollen Gerichtssaal und beglückt das Feuilleton mit süffigem, spektakulärem Erzählstoff. Eine Verfilmung sollte nicht lange auf sich warten lassen.
Der Krefelder Otto Schulte-Kellinghaus (67), so viel scheint sicher, dürfte da nur eine Nebenrolle bekommen. Der Vierte im Bunde der Kunstfälscher-Quartetts gilt vielen als Mitläufer, der es an diesem Morgen seinem Anwalt überlässt, seine Einlassungen vorzutragen: Dass er sich als langjähriger Bekannter Beltracchis zwar um die Vermittlung gefälschter Gemälde gekümmert hat, aber immer streng nach Weisung, was Preis und Expertise betraf.
Ich habe ihm die Genialität zugetraut
Den Vorwurf, von Kunst nichts zu verstehen, will er trotzdem so nicht im Raum stehen lassen. Eine Affinität zur Kunst habe er immer gehabt. Neben der Aussicht auf eine „brauchbare Altersversorgung“ war es deshalb wohl auch der Reiz, „in die Kunstszene einzutauchen“, die Schulte-Kellinghaus mitmachen ließ. Dass ein Großteil der Bilder gefälscht war, habe er geahnt. Geredet habe man darüber nie. Einmal habe er Beltracchi darauf angesprochen. Der habe nur wissend gelächelt und auf die Expertise verwiesen. Den Bäckerssohn mit dem grauen Haarkranz hat das fasziniert: „Ich habe ihm die Genialität zugetraut.“
In Momenten wie diesen huscht ein Lächeln über das Gesicht Beltracchis. Aus dem verkannten Künstlergenie, das Gemälde von Derain und Campendonk abgemalt hat, weil sie seine eigenen Bilder nicht wollten, ist so etwas wie ein Medienstar geworden. Ein Bild von einem Kunstfälscher, mit seinen grauen, schulterlangen Rembrandtlocken, dem Kinnbart und dem rhetorischen Vermögen, einen Millionenbetrug wortreich zu rechtfertigen. Einmal erzählt er sogar, wie er in der Figur des jeweiligen Malers aufgegangen sei, sich berechtigt gefühlt habe, die Werke „zu ergänzen“.
Wenn Beltracchis Geständnis so etwas wie eine künstlerische und nicht eben uneitle Lebensbeichte war, dann war es auch eine Abrechnung mit dem Kunstbetrieb, dem er „Gier und Verlogenheit“ vorwirft. Die Folgen für die in den Betrugsskandal Verwickelten sind bitter. Der große Kunstkenner und Picasso-Experte Werner Spies steht vor den Trümmern seiner Karriere, nachdem er sieben von Beltracchi gefälschte Max-Ernst-Gemälde als echt zertifizierte. Auktionshäuser wie Lempertz, das Campendonks „Rotes Bild mit Pferden“ für 2,4 Millionen Euro versteigerte, plagen sich mit Zivilklagen und dem verlorenen Vertrauen der Kunden.
Manchmal hat es richtig Spaß gemacht
Insofern sind die Schäden, die das Betrügerquartett rund um Beltracchi, seine Frau Helene, ihre Schwester Jeanette und Schulte-Kellinghaus über Jahre anrichtete, weit größer als die 15,8 Millionen, die in der Anklageschrift stehen.
Aber vor Gericht muss nun alles genau beziffert werden. Wer wann welches Bild in den Handel brachte. Welche Preise erzielt wurden und welche Provisionen geflossen sind. Und wer sich das eigentlich ausgedacht hat mit den Sammlungen Jäger und Knops, aus denen die angeblichen Meisterwerke stammen sollte. „Der Kunstmarkt“, so Schulte-Kellinghaus, „hat es uns leicht gemacht. „Vielleicht schaut man gerne über Zweifel hinweg, wenn die Chance besteht, an einem Kunstwerk Millionen zu verdienen.“ Er selber bereue die Tat heute zutiefst, „obwohl es manchmal richtig Spaß gemacht hat.“