Köln. . Eine Betrüger-Bande blamierte ausgewiesene Kunstexperten und betrog den Kunsthandel um Millionen. Vorm Kölner Landgericht wird jetzt einer der größten Fälscher-Skandale der Nachkriegsgeschichte verhandelt.

In Saal 7 des Kölner Landgerichts dürften ab Donnerstag die Zuschauerplätze knapp werden. Zu besichtigen ist der wohl größte Kunstfälschungskandal in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Vier mutmaßliche Kunstfälscher stehen wegen schweren Betrugs und Urkundefälschung vor Gericht, mehr als 160 Zeugen sind vorgeladen, 40 Verhandlungstage anberaumt. Verhandelt wird vor der 10. Großen Strafkammer ein unglaubliches Ganovenstück, wie es die Republik seit den gefälschten Hitler-Tagebüchern nicht mehr gesehen hat.

Im Mittelpunkt des Geschehens: Eine angeblich erlesene Kunstsammlung, die es nie gab und von der zuvor auch nie jemand gehört hatte. Große Auktionshäuser, die die vermeintlichen Meisterwerke für Millionen in den Handel brachten, ohne dabei allzu genau auf Angaben zur Herkunft der ominösen Sensationsfunde zu schauen. Dazu ein Reihe namhafter Kunst-Experten, die sich mit ihren Gutachten zu den offenbar gefälschten Werken bis auf die Knochen blamiert haben.

Nun schüttelt eine ganze Branche ungläubig und gleichzeitig besorgt den Kopf und fragt: Wie konnte das passieren? Und: Wie ist ein Skandal dieser Größenordnung in Zukunft zu verhindern?

Als Sensationsfunde gefeiert

Mitte der 90er Jahre tauchen Gemälde einer bis dahin unbekannten Privatsammlung auf, der Sammlung Jägers. Die Angeklagten Helene B. (52) und ihre Schwester Jeanette S. (54), Enkelinnen von Werner Jägers, dem angeblichen rheinischen Privatsammler, bieten einige Werke renommierten Auktionshäusern wie Christie’s, Sotheby’s und dem Kölner Auktionshaus Lempertz an. Bilder so berühmter Expressionisten wie Max Pechstein, Max Ernst, Fernand Léger oder André Derain sind darunter, viele davon galten bis dahin als verschollen. Die Kunstwelt ist entzückt. Auf dem hart umkämpften Markt der Auktions-Rekorde werden die Gemälde als Sensationsfunde gefeiert.

Erst als Heinrich Campendonks „Rotes Bild mit Pferden“ 2006 für sensationelle 2,4 Millionen Euro den Besitzer wechselt, fliegt der Schwindel auf. Ralph Jentsch, Experte für die Sammlung des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim, über den der Kaufmann Jägers seine Ankäufe damals angeblich abgewickelt haben soll, enttarnt das Herkunftsschild auf der Rückseite als plumpe Fälschung. Dazu werden bei Untersuchungen Farbpigmente entdeckt, die es zur Entstehungszeit der Bilder noch gar nicht gab. Erst da schauen auch andere Museen und Auktionshäuser genauer hin. 14 beschlagnahmte und untersuchte Bilder sind inzwischen Gegenstand des Verfahrens. Erlös der Kunstfälscher, die seit August 2010 in U-Haft sitzen: 15,8 Millionen Euro. Manche reden inzwischen von bis zu 80 Millionen Euro Schaden.

Kunstexperten blamiert

Neben den Freiburger Schwestern Jeanette S. und Helene B. steht auch deren Ehemann Wolfgang vor Gericht. Der 60-jährige Hobbykünstler soll die falschen Bilder gemalt haben. Vierter Angeklagter ist der 67-jährige Otto S.-K. aus Krefeld. Seine Kunstwerke stammen angeblich aus der Sammlung seines Großvaters, des Krefelder Schneidermeistes Wilhelm Knops. Warum bis dato niemand von der Leidenschaft der Sammler gehört hatte, fragte keiner.

Dumm da stehen neben dem dreisten Betrüger-Quartett deshalb auch eine Reihe von Kunstexperten und Gutachtern, die den vermeintlichen Originalen eine Expertise ausstellten und die Bilder damit erst marktfähig und millionenschwer machten. Experten wie der renommierte Kunsthistoriker Werner Spies, ehemaliger Chef des Pariser Centre Pompidou, dem die FAZ zuletzt akribisch auflistete, wie viel Provisionen für welche Kunstvermittlungen geflossen sind. Er sei im besten Gewissen davon ausgegangen, sensationelle Originale auf den Markt zu bringen, erklärte Spies der Zeitung, für die auch er immer wieder Kunstkritiken schreibt. Im Kölner Prozess ist er als Zeuge geladen.

Für Dr. Mario-Andreas von Lüttichau, Kurator am Essener Folkwang-Museum und ausgewiesener Otto-Mueller-Experte, ist der Prozess einmal mehr Anlass, für das Vier-Augen-Prinzip zu plädieren. „Man kann nicht nur einem Urteil trauen. Da müssen zwei, drei Leute drauf schauen, bevor man so ein Bild gut schreibt“, meint von Lüttichau: „Die Gralshüter sollten für ihre Beurteilung kein Geld nehmen.“

Auch Duisburger Lehmbruck-Museum betroffen

Dennoch will der Essener Kunstexperte seinen Kollegen nichts vorwerfen. Das Geschäft werde immer schnelllebiger, man sei vor Irrtümern nicht gefeit. „Es bleibt oft zu wenig Zeit, vernünftig zu recherchieren“, weiß von Lüttichau, „jeder will das kapitale Bild haben.“

Auch im Duisburger Lehmbruck-Museum spürt man noch die Nachwehen des Jägers-Skandals, nachdem das unter Fälschungssverdacht stehende „Portrait Alfred Flechtheim“ im vergangenen Jahr im Rahmen der Ausstellung „Der Kubismus und sein Umfeld“ in Duisburg gezeigt wurde. Als der Verdacht bekannt wurde, klebte die Museumsleitung umgehend ein Hinweisschild neben das Gemälde, das im Besitz des spanischen Kommunikationsunternehmens Telefonica ist. „Natürlich ist das immer unangenehm, die Leute wollen nun mal Kunst sehen und zwar echte“, sagt Pressesprecher Florian Blaschke.

Mit dem Skandal um die Sammlung Jägers konnte der gute Glaube nachhaltig beschädigt sein.