Washington. . Der Thriller-König Stephen King veröffentlichte eine Brandrede gegen automatische Schnellfeuerwaffen als E-Book. Und verlangt von der National Rifle Association Einsichtsfähigkeit. Er selbst ließ ein Frühwerk wieder zurückziehen, nachdem sich mehrfach Amokläufer darauf berufen hatten.

So wütend, so drastisch und so beißend spöttisch hat man den Meister des literarischen Horrors lange nicht mehr gelesen. Stephen King legt sich im Lichte des Schulmassakers von Newtown in einer 25-seitigen Brandrede, die seit dem Wochenende als E-Book für knapp einen Dollar bei Amazon erhältlich ist, massiv mit der Waffen-Lobby in Amerika an.

Der Erfolgsautor aus Maine, „mit reinem Gewissen“ Besitzer von drei Handfeuerwaffen, stellt sich an die Seite von Präsident Obama und ruft den Kongress dazu auf, halbautomatische Schnellfeuerwaffen und überdimensionierte Munitionsmagazine umgehend zu verbieten und intensive Sicherheitschecks bei potenziellen Waffenkäufern anzuordnen. Besagter Waffen-Typus, wie er in Newton und zuvor beim Amoklauf in einem Kino in Aurora/Colorado zum Einsatz kam, sei entweder dazu da, die „Geilheit“ seiner Besitzer beim Abfeuern zu steigern - oder „einzig und allein“, um möglichst viele Menschen zu töten.

King kritisiert hysterische Angst vor Gewalt

King wünscht sich, dass Wayne LaPierre und die übrigen Wortführer der jede Regulierung des Waffenrechts bekämpfenden „National Rifle Association“ (NRA) an den Tatort eines Massakers kommandiert werden, „wo sie Stiefel und Gummihandschuhe anziehen und dabei helfen müssen, Blut, Gehirnmasse und Darmstücke aufzulesen, in denen sich halbverdaute Essensreste aus den letzten Mahlzeiten unschuldiger Opfer befinden“.

In seinem provokanten, bitterbösen Essay mokiert sich der in der Nähe von Bangor lebende Schriftsteller wortgewaltig über die „Paranoia“ vieler Landsleute, die die Welt als einen „grundsätzlichen gefährlich Ort“ begreifen und ihr Haus jederzeit von Verrückten bedroht sehen, wie sie in dem Film „Texas Kettensäger-Massaker“ vorkommen; dabei kämen die allermeisten nie mit Gewalt in Berührung. Trotzdem lehnten diese Bürger jegliche Verschärfung der Waffengesetze ab, „weil sie glauben, dass nach der Entwaffnung durch die Regierung die Diktatur beginnt“.

Gute Alarmanlagen seien sinnvoller als jede Waffe

Die Durchschlagkraft des Arguments der Waffenfreunde, wonach die Pistole unter dem Kopfkissen Ungemach abwenden könne, hält King für gering. Er erinnert an den Fall Herbert Cutter, der Ende der 50er Jahre samt Frau und Kindern von zwei Landstreichern gemeuchelt wurde, obwohl er mehrere Waffen besaß. „Seid ihr euch sicher, dass ihr mit einer richtig guten Alarmanlage nicht besser bedient seid?“, fragt der 65-Jährige. Hätte aus Kings Sicht den Vorteil, dass zum Beispiel Desire Miller und Michael Griffith noch leben würden. Die eine wurde im Oktober 2012 in Sacramento von ihrem eigenen Freund erschossen. Der andere starb im gleichen Monat durch die mit einer Pistole verlängerte Hand seines Polizisten-Vaters James. In beiden Fällen wurden die Opfer irrtümlich für Einbrecher gehalten.

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Liebhaber der Schnellfeuer-Gewehre vom Typ AR-15 mit Magazinen von bis zu 100 Patronen kriegen bei King sarkastisch ihr Fett weg. „Wenn du einen Einbrecher nicht mit zehn Schüssen töten kannst, oder deine Frau, wenn Sie mitten in der Nacht für einen kleinen Snack an den Kühlschrank schleicht, dann muss du zum Üben zurück auf den örtlichen Schießplatz.“

King ließ Buch vom Markt nehmen, nachdem sich Amokläufer darauf beriefen

Von der Waffen-Lobby NRA, die mit vier Millionen Mitgliedern Obamas schwerster Gegner bei den geplanten Gesetzesänderungen ist, für die am Wochenende Zehntausende in Washington demonstrierten, verlangt der Schöpfer so bekannter Werke wie „Carrie“ oder „Shining“ Einsichtsfähigkeit. King will sie vor langen Jahren in seinem beschränkten Rahmen vorgelebt haben. Am Ende seiner Schullaufbahn Mitte der 60er-Jahre schrieb er unter Titel „Getting It On“ eine Kurz-Geschichte, die er später unter dem Pseudonym Richard Bachmann unter dem Titel „Rage“ (Wut) neu verlegen ließ. Darin tötet ein Junge namens Charlie Decker seinen Mathe-Lehrer und nimmt seine Klasse in Geiselhaft – als Rache für Mobbing.

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Zwischen 1988 und 1997 beriefen sich mehrere Amokläufer wie Barry Loukaitis und Michael Carneal nach ihren Bluttaten ausdrücklich auf „Rage“. King ließ das Buch vom Markt nehmen, obwohl es als Kunstform durch die Verfassung geschützt ist. „Ich sah das Buch als möglichen Beschleuniger. Und du lässt keine Benzinkanister in der Nähe von potenziellen Brandstiftern stehen.“