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Wenn Stephen King zur Feder greift, dann entsteht keine Wohlfühl-Literatur. In seinem neuen Novellenband zeigt er Menschen, die ihre inneren Grenzen niederreißen und zu Mördern werden.

Nach der monströsen, 1000-seitigen „Arena“ mit ei­nem plakativ-eindimensionalen Bösewicht wirkt Stephen Kings neues Buch wie eine Be­freiung. In dem düsteren Sammelband „Zwischen Nacht und Dunkel“ ist er wieder in einem Me­tier angekommen, das er seit sei­nen Anfängen virtuos be­herrscht. In knappen Formen wie den drei Novellen oder der längeren Kurzgeschichte sind ihm oft am besten Szenarien gelungen, aus deren Ausweglosigkeit sich der Leser nicht da­von­stehlen kann. Dafür haben sie viel zu viel mit ihm selbst zu tun.

Das Horchen nach innen

Schon der Titel beschreibt sehr bildhaft die Abwesenheit von Helligkeit in den Schicksalen fast aller Protagonisten dieses Buches. Das beginnt bei dem Landwirt Wilfred James in „1922“, dessen bäuerlicher Lebenstraum von seiner garstigen Gattin derart mit Füßen getreten wird, dass in ihm schließlich der Entschluss zur Weibstötung reift. Das Verhängnis potenziert sich, als er den 14-jährigen Sohn in die Tat mit einbezieht, die ungeplant in ein blutiges Abschlachten ausartet und die Täter für immer verändert.

Es ist dieses Horchen nach innen, das King geradezu beängstigend gut beherrscht. In diesen Geschichten sind keine Monster am Werk, sondern in die Enge getriebene Durchschnittsmenschen, die uns mit ihren Gedanken furchtbar nahe sind, nur dass sie eben Grenzen überschreiten. In „Eine gute Ehe“ ist es die Ehefrau, die in ein ausweglos erscheinendes Dilemma gerät: Sie hat durch Zufall entdeckt, dass der ihr seit 27 Jahren angetraute Gatte in einer Art Schattendasein ein Psychopath und Serienmörder ist. Zu Hause ein vorbildlicher Ehemann und Vater, sind ihm anderswo bereits elf Frauen zum Opfer gefallen. Nun Alarm zu schlagen, würde die ganze Familie in den Abgrund reißen. Aber da Frauen pragmatisch denken können, findet sich spontan ein Ausweg.

Pechschwarz,
keine Sterne

Auch „Big Driver“ ist aus der Perspektive einer Frau erzählt, die auf einsamer Landstraße von einem Triebtäter vergewaltigt und danach wie Abfall entsorgt wird. Das Opfer überlebt, fürchtet die kommenden Erniedrigungen bei Untersuchungen und Verhören und denkt deshalb lieber an Ra­che. Jeder Schritt, den sie nun tut, ist nachvollziehbar für den Leser, der am Ende mit seiner Identifikationsfigur fassungslos vor drei Leichen steht.

„Pechschwarz, keine Sterne“ lautet der Originaltitel übersetzt. Eine treffliche Beschreibung für das Triptychon des Entsetzens, das King hier in seiner ganzen Alltäglichkeit ausbreitet. „Faire Verlängerung“ ist das Zuckerl, das der Autor uns als Ausgleich gönnt: eine hämisch-zynische Beschwörung der Schadenfreude in ihrer ganzen Bösartigkeit. Ehrlich gesagt, es tut in diesem Umfeld richtig gut.