Essen. . Der neue Festival-Intendant Heiner Goebbels stellt das Sechs-Wochen-Programm für 2012 vor. Es beginnt am 17. August. 900 Künstler aus über 30 Ländern bringen 37 Produktionen heraus, von der John-Cage-Oper bis zum Tanzstück mit Kindern. Goebbels will keine Kunst mit Botschaft, sondern eine, die Erfahrungen des Neuen, des Anderen möglich macht.
40 Millionen Euro machten der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement und sein Kulturminister Michael Vesper im NRW-Haushalt locker, um dem Ruhrgebiet ab 2002 ein neues Drei-Jahres-Festival zu spendieren.
Es sollte nicht weniger als ein Ereignis von „Weltrang“ (Clement) werden, ein „dauerhaftes Fundament für Spitzenkultur an der Ruhr“ (Vesper). Zehn Jahre später formuliert man die Ansprüche etwas realistischer. Die Triennale setze „regional wie international Zeichen für die Offenheit und Vielfalt der Region“, sagte gestern NRW-Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) – nicht zuletzt mit Blick auf das Programm, das der neue Intendant Heiner Goebbels da vorstellte.
John Cages „Europeras“-Oper in Bochum, Carl Orffs „Prometheus“ in Duisburg, ein Open-Air-Konzert mit zwölf Schlagzeugern auf der Halde Haniel, Theater mit Kindern und Behinderten, Tanzstücke bei Sonnenauf- und -untergang: Von einem Hochglanz-Festival mit illustrem Star-Aufgebot hat die Triennale des Jahrgangs 2012 ( 17. August bis 30. September ) nichts. Sie wird ein Avantgarde-Festival. Der Komponist und Bühnenprofessor Goebbels gibt ihr einen musikalischen Schwerpunkt, er mischt die Sparten kräftiger durch als alle seine Vorgänger.
Zwölf Spielstätten im Revier
Verpflichtet wurden rund 900 Künstler und Künstlerinnen aus 30 Ländern, sie bringen 37 Produktionen heraus. Sie werden an zwölf Spielstätten des Reviers zwischen dem Duisburger Landschaftspark Nord, der Gladbecker Maschinenhalle Zweckel und der Bochumer Jahrhunderthalle zu sehen, hören, spüren sein. Goebbels will dem Publikum etwas radikal Neues bieten, „ein ungesehenes Bild, einen unerhörten Klang, eine nicht für möglich gehaltene Bewegung“ – keine Kunst, die Botschaften verkündet, sondern eine, die Erfahrungen „jenseits der Routine“ bietet.
Sprechende Kriegsveteranen im Museum etwa. Dass es Live-Kunst im Essener Folkwang geben würde, war bereits vorab durchgedrungen, nun steht fest, welche Künstler dort (vom 17. bis zum 26. August) unter dem Titel „12 Rooms“ mit „lebenden Skulpturen“ experimentieren – unter anderem der mit seiner Haifisch-Konservierung bekannt gewordene Brite Damien Hirst, aber auch Altmeister John Baldessari.
Unter den vier Uraufführungen ein Werk des Chefs: Heiner Goebbels studiert in der Bochumer Jahrhunderthalle mit 40 Mädchen aus Maribor Geschichten und Chormusik ein, die vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Umbrüche auf dem Balkan mit den Klischees von kindlicher Unschuld und Unberechenbarkeit spielen.
„No Education“
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Zum Schwerpunkt der Triennale 2012 wird neben der Bochumer Jahrhunderthalle, wo die örtlichen Symphoniker Schostakowitsch und Ligeti kombinieren und eine Lichtinstallation auf den Pulsschlag der Besucher reagieren soll, vor allem Essen: Dort gibt es im Maschinenhaus der Zeche Carl jeden Montag klassische Kammerkonzertabende, auf Zollverein tritt das „Nature Theatre of Oklahoma“ mit Robert Lepage auf, in der Kokerei wird die israelische Künstlerin Michal Rovner eine Videoinstallation auf die Riesenräume zuschneiden. Kinder sollen nicht nur in Inszenierungen wie dem aus Avignon eingekauften „enfant“-Stück von Boris Charmatz auf der Bühne stehen, sie sollen auch als Jury am Ende einen Preis vergeben. Die Parole für diesen Teil des Festivals ist ebenfalls neu, eine Provokation, gerichtet gegen die pausenlose Indienstnahme der Kultur zu Bildungszwecken: „No Education“.