Salzburg. Der Theater-Titan Peter Stein wird im Alter immer altväterlicher: Bei den Salzburger Festspielen ist sein „Macbeth“ mitunter unfreiwillig komisch. Trotzdem erntet die Macbeth-Inszenierung beim Publikum Jubel und Ovationen.

Gruselige Greisinnen rühren den dampfenden Hexenkessel, blutiger Mord und Totschlag, Ritterscharen mit Lanzen, Helmen und Hellebarden. In der Salzburger Felsenreitschule ist nicht etwa die Zeit stehen geblieben, sondern Peter Stein benutzt Verdis „Macbeth“, um mit beinah kindlicher Freude an historischen Details das Schottland des 12. Jahrhunderts auf die Bühne zu bringen.

Mit allen Schikanen von Historienschinken aus der Stummfilmzeit – Blitz und Donner, Hexenchöre und Geisterbahn inklusive. So bescherte der Altmeister deutschen Sprechtheaters, mittlerweile 74, eine texttreue, ausufernde, altväterliche Festspielpremiere von vier Stunden, die das Publikum, trotz Erschöpfung, mit Jubel und Ovationen belohnte.

Das Orchester liebt Muti

Die Freude mischte sich bei manchen mit Wehmut; war dies doch die letzte Opernpremiere für Riccardo Muti in Salzburg. Der italienische Grand Maestro, der gerade seinen 70. Geburtstag feierte und nun nach 41 Jahren Abschied von den Sommerfestspielen nimmt, entlockte den Wiener Philharmonikern noch einmal Klangzauber, federnde Italianità, geölte Eleganz und dramatische Spannung ohne Kraftmeierei. Das Orchester liebt Muti. Und folgt seinem Verdi-Verständnis.

Einziges Manko: Muti drosselte an manchen Stellen extrem das Tempo, besonders in der Ballettmusik, die Verdi 1865 für die Premiere in Paris hinzufügte. Der knorrige und für seine cholerischen Ausbrüche bekannte Peter Stein hatte sich geweigert, Tänzer auftreten zu lassen. Öffentlich, im ORF. Muti seinerseits stellte sich stur. Und so erklang das 12-Minuten-Intermezzo der Pariser Fassung als langatmiges Vorspiel zum dritten Akt.

Wie Oberammergau

Peter Stein nutzt nun die Felsenreitschul-Bühne, die fast so lang ist wie ein Fußballfeld, nur für das Aufmarschieren von bewaffneten Soldaten in Kettenmänteln und Metall- und Leder-Rüstungen oder für das Bewegen von Flüchtlings-Strömen. Gramgebeugt, aneinandergeklammert und mit suchendem Blick nach oben schleppen sie sich herein. So entstehen Tableaus, die an romantische Nazarener-Gemälde erinnern, an Oberammergau oder an Spektakel in der Arena von Verona. Bilder erstarren, wirken manchmal unfreiwillig komisch. Ähnlich wie die gestellten Kampfszenen der Ritter, die im Dienst der Rivalen Duncan, Banquo oder Macbeth die Schwerter kreuzen und mit Dolchen hin- und herjagen.

Extrem künstlich wirkt das Rampensingen der Darsteller, die kaum Profil erhalten, sondern beinah zu Statisten eines Doku-Streifens mutieren. „Ich biete keine Interpretation, sondern Fakten“, erklärt Stein im 140 Seiten dicken Programmbuch seine Retro-Ästhetik. Und da der als Theater-Titan gehandelte Stein Top-Gagen kassiert (wie auch Riccardo Muti), so sparte man bei den Sängern.

Zeljko Lucic auf Spitzenniveau

Internationales Spitzenniveau bot zwar Zeljko Lucic als Macbeth mit einem fast zu nobel strömenden Bassbariton. Bei ihm vermisst man aber die abgründigen Seiten des mehrfachen Königsmörders, der seinen Verstand verliert. Wenig glaubhaft ist es, dass er sich zum Werkzeug machen lässt – der machtgierigen Lady Macbeth von Tatjana Serjan. Den flackernden Wahnsinn spürt man nur im flackernden Sopran der Russin, die in der Höhe fad, körperlos und wenig gebieterisch klingt.