Essen. Ben Becker spielt den Tod im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen. Der Tod ist Gottes Bote - und seine Darstellung unerwartet: „Es wäre ja furchtbar, wenn das furztrocken wäre”, findet Becker. Schauspielerin Sophie von Kessel spielt erneut die Buhlschaft.

Die wichtigste Rolle des deutschsprachigen Theaters ist zweifellos die Buhlschaft im „Jedermann”. Nicht, dass der Text umfangreich wäre oder der Charakter schwierig, die Buhlschaft hat nicht viel mehr zu sagen als: „Steh nit auf grüne Buben an, du bist mein Buhl und lieber Mann”.

Und so ist sie auch, gradraus und herzig. Meist ist sie aber auch recht offenherzig und das sichert der Dame, die den reichen Mann beim Sterben nicht begleiten will, mehr Aufmerksamkeit als ihren Versen. Wie groß das Dekolletée der Buhlschaft ist und wie wohlgestaltet sein Inhalt, das interessiert nicht nur in Salzburg. Darüber spricht man auch im Sauerland. Wie, Franzi von Almsick ist dies Jahr die Buhlschaft? Nicht doch, es ist Kati Witt; und auch nur in der Berliner Version. Na, aber trotzdem.

Woher kommt das Interesse? Eine vernünftige Antwort gibt es nicht, nur eine unvernünftige. „Buhlschaft”, das klingt schon so üppig. Veronica Ferres in straffem Rosa, Nina Hoss in hochroter Korsage: Sie lassen den Traum weiter träumen, Kunst hätte sinnlich zu sein wie ein Kirschtörtchen.

Und als im letzten Jahr Sophie von Kessel die Hauptsache in züchtigem Yves-Klein-Blau versteckte, da murrte das Publikum leise.

Christian Stückl, gelernter Holzbildhauer und Intendant des Münchner Volkstheaters, hat den „Jedermann” gewaltig entrümpelt. Er hatte schon aus dem Oberammergauer Passionsspiel richtiges Theater gemacht; Hugo von Hofmannsthal trieb er die bitterliche Erbauung aus und gab ihm eine ironische Wendung. Jetzt schlurft der liebe Gott persönlich über den Domplatz und der Teufel wird vergackeiert mit Riesenhuf und entzückendem Schwänzchen, dass die Zuschauer juchzen.

Der Bote des Herrn

Der Teufel heißt in diesem Jahr Peter Jordan und ist ein Virtuose der Komödie; wir werden sehen, wie weit er den Spaß treiben wird. Und Ben Becker ist der Tod. Der hat zum Gevatter ein besonderes Verhältnis.

Schon in seiner ersten großen Rolle, Ferdinand in „Kabale und Liebe”, schied er gewaltsam aus dem Leben. Im „Tatort” begegnete er dem Tod an überraschenden Orten: im Elefantenhaus und im Häcksler. Im Bayerischen Rundfunk erklärte er glaubhaft, Franz Beckenbauer wäre gestorben, in Neil LaButes „Bash” spielte er den Kindsmörder und vor zwei Jahren wurde er selbst nur mit Mühe ins Leben zurück geholt: harte Drogen, hieß es; vielleicht auch eine Alkoholvergiftung.

Doch wo Don Giovanni regelmäßig in die Grube fährt und Trakls dunkle Lyrik zu Hause ist, da ist der Tod anders. Ulrike Folkerts war eine klamaukige Verirrung; hier ist der Tod keine Hauptkommissarin, kein Gift in der Limonade und nicht zuviel Schnaps; der Tod ist Gottes Bote und verträgt ein wenig Pathos.

Bote des Herrn – da ist Ben Becker der Richtige. Gerade hat er, am Finger seinen Totenkopfring, die Bibel inszeniert, mit dem Filmorchester Babelsberg als Untermalung und ganzem Körpereinsatz. Wie ein Wanderprediger lässt er die Stimme dunkel vibrieren, lässt sie suggestiv singen wie die Posaunen von Jericho kurz vor der Attacke: „Am Anfang war das Wort . . .”

Erst Gott, dann der Tod

„Es wäre ja furchtbar, wenn das furztrocken wäre”, sagt er zu seiner Art der Darstellung, und wenn er spricht, nein, raunt, nein grollt: „Ich bin der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende” – weiß Gott, dann glaubt man ihm.

Er sagt auch: „Für mich ist Gott das Sein als solches, und dieses Sein ist wahnsinnig existenziell. Ich glaube nicht an den alten Mann mit dem weißen Bart.”

Genau den wird er in Salzburg treffen. Und Ben Becker wird auch ganz andere Sätze sagen; sowas: „Hie hilft kein Weinen und Beten./ Die Reis musst alsbald antreten”. Oder: „Nun ist Geselligkeit am End./ Ring nit vergebner Weis die Händ.”

Wird er vibrieren? Dunkel rollen, dröhnend Musik aus Hofmannsthals Knittelversen schlagen? Ganz sicher ist, dass es nicht furztrocken wird. Sondern irgendwie grandios.

Erst Gott, dann der Tod – es ist das Mindeste, was wir von Ben Becker erwarten durften.