Salzburg. "Cosi fan tutte", Mozarts Oper mit großer Besetzung im Penthouse-Ambiente inszeniert, über Unmoral und Frauen die fremdgehen, in einem Wald, der im Wohnzimmer emporwächst. Ein Spiel gegen die Regeln für das am Ende gilt: "Glücklich ist der Mensch, der alle Dinge von der guten Seite nimmt.
Endlich ist Salzburg glücklich, endlich ist alles gut. Ja, die Eröffnung mit Händels „Theodora” war fantastisch; kein Offizieller, der nicht Begeisterung kundgetan hätte. Aber ein Oratorium ist keine Oper, und Händel? Ja, wo sind wir denn? Eben. Jetzt gibt es endlich Mozart, schönen, süffigen Arien-Mozart, und Salzburg strahlt.
Was Frauen so tun
Wer am Ende den meisten Jubel bekommen hat – die Solisten oder der fabelhafte Chor, die Wiener Philharmoniker mit Adam Fischer oder sogar Claus Guth, der als Regisseur nichts ausgelassen hat; ein-, zweimal ließ er Patricia Petibon als freches Zimmermädchen ihren Mozart ziemlich ungehörig zerquietschen – aber selbst damit kann man heute niemanden mehr erschrecken. Das Publikum hat sich längst daran gewöhnt, dass Tenöre beim Singen die Hand nicht aus der Hosentasche nehmen und Domestiken mit Motorradhelm zum Dienst kommen.
Die Bühne ist kühl. Schickes Penthouse, weiß und grau, viele Flaschen, manche leer. Später, wenn die Stimmung zwischen den Paaren Temperatur bekommt, fährt eine Wand hoch: Da wächst bedrohlich ein Wald herein, kahle Stämme, und über dem schönen Teppichboden bröselt Erde. Das ist als Idee nicht taufrisch, zeigt aber mit einigem Effekt, dass da etwas eindringt, unübersichtlich und unübersehbar. Da sind wir nah dran, an „Cosi fan tutte”, dem Dramma giocoso über das, was Frauen tun: fremdgehen.
Halb entkleidete Damen und Unmoral
Die Oper war lange umstritten. Kein Wunder; selbst wenn die Damen nicht halb entkleidet weggeschleppt werden wie in Salzburg, ist klar, dass es hier um Unmoral geht. Das gesunde Volksempfinden war gegen so viel Zumutung. Zeitweise wurde der Text durch einen harmloseren ersetzt; so kann es gehen, wenn man ehrlich ist.
Die Geschichte geht ja so: Zwei junge Männer sind glücklich mit zwei Schwestern verlobt, da erscheint Don Alfonso, ein „Freund”, und wettet mit den Herren, dass ihre Liebsten nicht treu sind. Statt den Eindringling zum Teufel zu schicken, wo er hingehört, beginnen die Jungs ein absurdes Hin und Her und umwerben die Mädchen so lange, bis sie weich gekocht sind. Die glauben am Ende selbst, sie hätten sich in den Fremden verliebt, übrigens überkreuz; jede hat den Lover der Schwester im Bett. Als die Exe sich zurückmelden, ist die Reue groß und es wird schnell geheiratet.
Sündige Schwestern, heuchlerische Männer
Man kann lange philosophieren, wer wie viel Schuld hat in diesem Spiel gegen die Regeln; man muss aber nicht. Don Alfonso folgt seiner zynischen Natur, die anderen sind teils leichtfertig, teils folgen sie der alten Wahrheit, dass der Mensch lieber glücklich ist als unglücklich. Am Ende, wenn die Frauen zerknirscht sind und die Männer vor Ehrpusseligkeit beinahe platzen, obwohl sie alles angezettelt haben – am Ende stimmen alle verirrten Schafe ein: „Glücklich ist der Mensch, der alle Dinge von der guten Seite nimmt.” Und der Wolf Don Alfonso singt mit.
„Cosi fan tutte” ist eine großartige Oper, und wenn man sie groß besetzt, wird sie zur Sternstunde. Das ist sie in Salzburg; Miah Persson und Isabel Leonard als sündige Schwestern, Topi Lehtipuu und Florian Boesch als heuchlerische Männer sind fantastisch, ihre Duette und Arien hinreißend. Absolut glänzend ist auch Bo Skovhus als böser Biedermann Alfonso; doch als Star hatte die Welt auf Patricia Petibon gesetzt, die komödiantische Rothaarige mit dem gewaltigen Sopran - und wurde wunderbar enttäuscht. Sie ist herrlich, ein zauberhafter Kobold, ein Hexenmädchen an Alfonos Seite: aber in diesem Wahnsinns-Aufgebot ein Star unter anderen.
Jauchzen und Klatschen und Bravos ohne Ende. Endlich ist Salzburg glücklich.