Krefeld. Für die Rückgabe von in der NS-Zeit geraubten Kunstwerken sollen faire Lösungen gefunden werden. In Krefeld wurde eine Einigung erzielt.

Dass das „Wirtshaus“-Gemälde des rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk, 1889 in Krefeld zur Welt gekommen war, nicht ganz sauber ins Kaiser-Wilhelm-Museum (KWM) seiner Geburtsstadt gekommen war, ahnte man eigentlich schon seit Jahrzehnten. Denn ans KWM gelangt war das Bild, nachdem der Hausmeister des Kölnischen Kunstvereins es wie viele andere auch gestohlen und an den örtlichen Kunsthandel verkauft hatte. Der betrügerische Hausmeister war schon 1949 aufgefallen, weil er angefangen hatte, aus Mangel an Originalen schließlich selbstgefertigte Kopien zu verkaufen.

Der geheimnisvolle Weg des „Wirthaus“-Bildes von Heinrich Campendonk

Spätestens seit 2006 aber gab es Hinweise darauf, dass 1917 mitten im Ersten Weltkrieg entstandene Campendonk-Bild „Wirtshaus“ zur großen Sammlung des Erfurter Schuhfabrikanten Alfred Hess gehörte. Diese Sammlung, eine der bedeutendsten Expressionisten-Sammlungen der Zeit, hatte seine Witwe schon 1933 „auf Freipass“ – eine zeitweilig gültige Ausfuhrgenehmigung – am Kunsthaus Zürich in Sicherheit gebracht. Dann schickte sie die Sammlung 1937 an den Kölnischen Kunstverein, auf Druck der Gestapo, wie Tekla Hess, die nach Großbritannien emigriert war, nach dem Krieg eidesstattlich versicherte. Dass der Zoll die Sammlung in Augenschein nahm, darüber gibt es sogar Dokumente.

Das Campendonk-Gemälde aus dieser Sammlung ist nun aber wieder rechtmäßig im Kaiser-Wilhelm-Museum. Denn nach acht Jahre dauernden Verhandlungen wurde es der Erbin, der Enkelin von Tekla Hass übereignet, die es für eine sechsstellige Summe wieder dem Museum verkaufte. Sie blieb mit dem Kaufpreis weit unter dem Marktwert des Bildes. Finanziert haben den Rückkauf das Berliner Staatministerium für Kultur, das Land Nordrhein-Westfalen und die Kulturstiftung der Länder.

Campendonk, der das jüngste Mitglied der Künstlergruppe Blauer Reiter war, malte das „Wirtshaus“-Bild mit vier einsamen, voneinander isolierten Menschen, einem Karpfen auf dem Teller und einem wie verirrt in den Raum gestellten Reh in einer Zeit der Verzweiflung – wenig später, nach dem Krieg, sollte er in seine Heimatstadt Krefeld zurückkehren und sich der angewandten Kunst widmen, schuf Bühnenbilder, entwarf Porzellan und stattete etwa die Villa Merländer mit Möbeln und zwei großen Fresken aus, die 1989 wiederentdeckt wurden.

Für die Krefelder Museums-Chefin Katia Baudin ist wichtig, dass das „Wirtshaus“ nun zusammen mit seinem Pendant „Die Armen“ (1918) weiter im KWM hängen kann: „Diese beiden Gemälde markieren die wichtige Phase in Campendonks Werk, in der er sich allmählich von den dominanten Einflüssen des Blauen Reiters löst. Er war in dieser Zeit in äußerst gedrückter Stimmung, seine Malerfreunde August Macke und Franz Marc waren bereits im Krieg gefallen, und er hatte Sorge, als Schreiber wieder an die Front berufen zu werden.“ Diese persönliche Stimmung wird in beiden Gemälden zum Barometer einer ganzen Gesellschaft, die von Isolation und Armut gekennzeichnet ist.

Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld
Besitzt sechs Gemälde und insgesamt rund 50 Werke des in Krefeld geborenen Heinrich Campendonk: Das Kaiser Wilhelm Museum am Joseph-Beuys-Platz in Krefeld. © DPA Images | Bernd Thissen

„Mit jeder einzelnen Rückgabe eines Werkes erkennen wir das Unrecht an, das den jüdischen Vorbesitzerinnen und Vorbesitzern durch das NS-Regime angetan wurde“, erklärte NRW-Kulturministerin Ina Brandes (CDU). Die Rückgabe und der anschließende Rückkauf seien eine „faire und gerechte Lösung“ im Sinne der Washingtoner Prinzipien für die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern.

Auch das Leopold-Hoesch-Museum in Düren kaufte ein Campendonk-Bild zurück

Es ist nicht die erste Restitution an die Enkelin von Alfred Hess als seine Erbin. Die spektakulärste erfolgte im Jahr 2006, als Berlin das berühmte Gemälde „Berliner Straßenszene“ (1913) von Ernst Ludwig Kirchner zurückgab. Das Gemälde wurde später für umgerechnet 30 Millionen Euro versteigert.

Auch mit anderen Städten wie etwa Hannover und Ludwigshafen erzielten die Hess-Erben in den vergangenen Jahren Einigungen. 2019 restituierte das Dürener Leopold-Hoesch-Museum ein Campendonk-Bild und kaufte es wieder zurück.

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