Neuss. . Die Künstler und Freunde Johan Thorn Prikker, Heinrich Nauen und Heinrich Campendonk im Clemens-Sels-Museum Neuss: „Ihrer Zeit voraus“
In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts pulsierte im Dreieck zwischen Hagen, Krefeld und Köln die Kunst, Experiment und Avantgarde waren hier zu Hause. Drei prominente Bewohner dieses Hauses – Johan Thorn Prikker, Heinrich Campendonk und Heinrich Nauen – rückt nun das Clemens-Sels-Museum in Neuss in einer beinahe umfassenden Ausstellung den Blickpunkt. „Ihrer Zeit voraus“ waren sie, wie die Ausstellung betitelt ist, und in ihrem umfassenden Anspruch, Kunst und Handwerk wieder zusammenzuführen, waren die drei Freunde einig – und damit im Grunde auch Vorläufer der in diesem Jahr so heftig gefeierten Bauhaus-Idee.
Fenster für den Bahnhof in Hagen
Während Campendonk (1889-1957) und Nauen (1880-1940) gern umstandslos dem Expressionismus zugerechnet werden, bildet Prikker (1868-1932), der älteste der drei Freunde, schon immer eine ganz eigene Liga, zumal er als Lehrer vielleicht noch mehr bewirkt hat denn als Maler, Grafiker, Möbeldesigner, Glas-, Stoff- und Mosaik--Künstler.
Prikker, der gebürtige Niederländer, lehrte zunächst an der Kunstgewerbeschule von Krefeld, bevor er 1910 auf Einladung von Karl Ernst Osthaus nach Hagen umzog, wo er auch das Glasfenster des Hauptbahnhofs oder die Wanddekoration für das Arbeitszimmer von Osthaus entwarf. Das Muster dafür abstrahierte er übrigens von seiner grandiosen Gouache „Zwei kämpfende Eulen“, die bei aller Stilisierung eine furiose Dynamik entfaltet. Prikker entwarf in Hagen aber auch Muster für Kattun-Stoffe, die zu Kissen oder Vorhängen verarbeitet wurden. Eine Kaminbank im reinsten Jugendsti wird flankiert von wunderbaren Intarsien-Kästen. Aber auch Prikkers Vorzeichnungen für Glasfenster wachsen sich immer wieder zu eigenen Werken aus (Prikkers Glasfenster für die Essener Börse, das heutige Haus der Technik, sind übrigens dauerhaft in Neuss zu Hause), frühe Gemälde zeigen erste Versuche im Symbolismus und Impressionismus.
Fenster und Möbel von Campendonk
Überhaupt hat die Ausstellung eine überraschende Fülle von großartigen Gemälden, Aquarellen und Gouachen zu bieten. Nauens farbstarke Anfänge, zwischen Im- und Expressionismus changierend, und dann „Die Musik“, eines seiner zentralen Werke von 1914, für einen Neusser Anwalt, der damit sein Musikzimmer schmücken wollte und es überhaupt nicht übel nahm, dass es viel größer geriet als ursprünglich geplant. Eine nackte Eva mit Geige und Bogen, ein passender Adam, eine Katze mit einem Jungen: Kunst, Leben und Natur sollten vereint werden, auch hier wieder der Gesamtkunstwerk-Gedanke, der nach dem Ersten Weltkrieg erst recht Heilung bringen sollte gegen das Gefühl des zerrissenen, gesplitterten, zutiefst verwundeten Ichs.
Von Campendonk wiederum gibt es ebenfalls Glasfenster zu sehen, eine Vielzahl klassisch expressionistischer Gemälde, darunter der „Pantomime mit Sonnenblumen“ von 1926, der auch auf der ersten Documenta gezeigt wurde, sowie experimentelle Spätwerke, die Campendonk (der ebenfalls, erst in Düsseldorf, dann im Amsterdamer Exil Akademie-Lehrer wurde) lieber nicht veröffentlichen wollte, um seinen Expressionisten-Nimbus zu erhalten.