Gladbeck. „Membrane“: Bis zum 26. Januar läuft eine hochkarätige Ausstellung mit Weltstars wie Thomas Ruff, Shirin Neshat und Daniele Buetti.

Zwei Frauen, denen in Großbuchstaben die Namenszüge „Dolce & Gabbana“ und „Ralph Lauren“ über die Wangen gezogen sind, wie von innen nach außen herausgeprägt. Oder wie schlechte Tattoos. Das ist die eine Wand. Gegenüber zwei bewaffnete Frauen, deren sichtbare Hautpartien aufs Schönste mit Versen von persischen Lyrikerinnen überschrieben sind. Sie stammen aus der Serie „Frauen Allahs“, mit der die iranische Künstlerin Shirin Neshat Mitte der 90er-Jahre weltweit Furore machte und mehr als sieben Klischees auf einen Streich knackte.

Die Models mit den Kommerz-Schriftzügen im Gesicht dagegen hat der Schweizer Fotograf Daniele Buetti, der auch Professor an der Kunsthochschule Münster ist, im vergangenen Jahr produziert. Nun hängen sie in der aktuellen „Membrane“-Ausstellung der Neuen Galerie Gladbeck.

Neue Galerie Gladbeck: Die Fotos von Cindy Sherman und Thomas Ruff im sinnträchtigen Gegenüber

Die Haut, die in diesen Bildern im Mittelpunkt steht, ist nicht nur das größte menschliche Organ, sondern auch das zwiespältigste. Sie ist durchlässig und schützt zugleich. Thomas Mann soll in seiner Skepsis gegen Röntgenstrahlen gesagt haben: „Der liebe Gott hat gnädigerweise über all die Geheimnisse im Innern eine Haut gespannt. Damit kann man gut unter die Leute gehen.“

Gehen auf wie unter die Haut: Zwei Werke von Shirin Neshat aus ihrer Serie „Women of Allah“ in der Neuen Galerie Gladbeck.
Gehen auf wie unter die Haut: Zwei Werke von Shirin Neshat aus ihrer Serie „Women of Allah“ in der Neuen Galerie Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Heute ist die Haut längst ein Ausdrucksmittel, dient als Ausweis für Individualität und Jugend, mitunter auch ein chirurgisch gebügeltes Statussymbol. Oder als Ironie-Signal wie bei den karikaturhaften Verkleidungen, in denen sich Cindy Sherman einmal mehr selbst ablichtete, als porentief normale US-Amerikanerin. Der blanke Naturalismus, mit dem Thomas Ruff dagegen seine legendäre, nach wie vor intensive „Porträt“-Serie durchzog, bildet hier zwei Gegenstücke dazu.

„Membrane“ in der Neuen Galerie Gladbeck: Nur 15 Werke fesseln mehr als woanders Dutzende

Die bloße Zahl von 15 Werken in der Ausstellung lässt nicht vermuten, wie fesselnd fast alle dieser Arbeiten sind. Der Italiener Nicola Samori etwa nähert sich der Haut malerisch, seine Ölbilder sind Porträts von asketischen Heiligen nachempfunden und simulieren Haut mit kupferfarbenen Faltengebirgen auf der Leinwand. Bei diesen wie bei den anderen Bildern der Ausstellung bewährt sich die rohe Beton-Oberfläche der von den Architekten Detlef Wiegand und Thomas Kurscheid entworfenen Neuen Galerie wieder einmal aufs Äußerste, sie wirkt erstaunlicher Weise immer stimmig und zurückhaltend.

Die XXL-Porträts „Anna Giese“ und „Isabel Graw“ von Thomas Ruff in der Neuen Galerie Gladbeck.
Die XXL-Porträts „Anna Giese“ und „Isabel Graw“ von Thomas Ruff in der Neuen Galerie Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Auch die aufwendigen und doch stets mit dem Verschwinden spielenden Farbstiftbilder des Polen Slawomir Elsner faszinieren, vor allem in der Art, wie er in „Rubens und Isabella Brant in der Geißblattlaube“, das berühmte Gemälde des flämischen Genies mit seiner Verlobten, in zartgelben Strichen erst zum Verschwinden bringt und dann, beim ausdauernden Ansehen, umso akzentuierter wieder hervortreten lässt. Helena Parada Kims farbig leuchtende Priester-Kimonos, die ihrer Träger entkleidet sind, zeigen gemalte Natur in höchster Zivilisation, von Dauer und doch durchlässig. Im Leseraum der Neuen Galerie wiederum äußerst passend aufgehängt, wirken sie geradezu wie ein Gleichnis für das Leuchten der Neue Galerie innerhalb von Gladbeck.

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