Herne. 15 Jahre war Zeche Ewald die Adresse für Travestie-Shows. Jetzt kündigt Theaterchef Marvin Boettcher den Vertrag. Wie es weitergeht.
Das erfolgreichste Revue-Theater Nordrhein-Westfalens steht vor dem Aus. Dessen Direktor Marvin Boettcher, zugleich Besitzer des Mondpalastes Wanne-Eickel, bestätigt entsprechende Recherchen unserer Redaktion: „Der Revue-Palast wird am 31. Januar 2025 die Zeche Ewald verlassen.“
Direktor Boettcher: „nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben“
Völlig überraschend endet die Erfolgsgeschichte der auf dem ehemaligen Hertener Zechengelände angesiedelten Entertainment-Adresse. Über eine halbe Million Besucher verzeichnet das einst von Mondpalast-Erfinder Christian Stratmann gewagte Travestie-Theater seit seiner Gründung 2009.
Damals hatte kaum jemand an die Zukunft einer festen Show-Bühne für Herren im Damenkostüm geglaubt. Der subventionsfrei arbeitende Palast aber wurde zur überregionalen Marke, inzwischen bereichert durch Gastspiele namhafter Comedians, Illusionisten, Musiker.
Der Grund für das Aus ist laut Boettcher nicht, dass die Adresse ihre Magnetwirkung eingebüßt hätte. Es seien die neuen Mietbedingungen des Eigentümers „Motorworld“. Marvin Boettcher zur WAZ: „Die Kostendimension ist in den letzten zwei Jahren so ungeheuer gestiegen, dass ein rentabler Betrieb nicht mehr möglich ist.“
Boettcher über Schließung von Travestie-Show in Herten: „Der Punkt ist die Pacht“
Das liege zwar auch an gestiegenen Energiekosten für den historischen Bau (das Theater ist in einer Halle mit 16 Metern Deckenhöhe). „Aber der große Punkt ist die Pacht. Das ist so nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Hätte der Palast noch die Pachtbedingungen wie unter Herrn Stratmann, könnte er die nächsten 15 Jahre weiter machen.“ Den Betrag der Belastung will Boettcher nicht nennen. Nach Recherchen unserer Redaktion beläuft er sich mit Nebenkosten monatlich jetzt auf 16.000 bis 17.000 Euro.
Stadt Herten machtlos: Gelände und Gebäude sind verkauft
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Die Stadt Herten – eher unverdächtig, reich an überregionalen Kulturadressen zu sein – trifft das Aus hart. Allerdings sind ihr die Hände gebunden, die renommierte Showbühne im Hertener Süden nah an der A2 zu halten. Denn während die Stadt Herne unlängst den Pachtvertrag für den Mondpalast bis 2038 verlängert hat, ist Herten schlicht ohne Handlungsbefugnis; die gewaltige Landmarkenfläche auf dem ehemaligen Bergbauareal gehört längst der „Motorworld“. Das in Semerhofen bei Ulm ansässige Unternehmen nennt den Ort „Eventlocation der ganz besonderen Art“, auch das 60.000 qm große Außengelände preist sie mit „unendliche Möglichkeiten für Ihre unvergessliche Veranstaltung“.
Künftig allerdings ohne den Ankerpunkt Revuepalast. Offenbar gab es Kompromiss-Angebote. Die hätten laut Boettcher aber eine Anmietung der alten Heizzentrale immer nur für Monate bedeutet: „Für ein Theater unmöglich. Wir wären einfach keine Adresse mehr.“
40.000 Gäste im Jahr: Theaterchef Boettcher glaubt an die Zukunft des Revuepalastes - in einer anderen Stadt
Boettcher frustriert und ärgert das Ende. Er sieht sein Haus als Konstante auf einem Areal, für das manches erwünscht und versprochen war – unerfüllt, vom Hotel bis zum großen Parkhaus. Über den Palast in Herten sagt er: „Er ist DER strahlende Stern auf dem Gelände seit 15 Jahren. Wir holen rund 40.000 Gäste im Jahr“ Und Boettcher will sie weiter holen: „Das Produkt ist gut. Wir haben es zu einer Marke gemacht!“
So suchte er die Wende in einer Krise, „die mir schlaflose Nächte bereitet hat“, – und will sein Theater an einem neuen Ort ansiedeln. „Der Revuepalast funktioniert überall im Revier. Das hübsche Mädchen ist wieder frei“, lacht er. Boettcher will keine Details nennen. Nach unseren Informationen soll er allerdings ein Auge auf eine Bochumer Immobilie geworfen haben.
Revuepalast soll weiterleben. Neustart noch 2025 im Ruhrgebiet
Aber auch Herne, seit 20 Jahren durch den Mondpalast ein „Place to be“ der Amüsierbereiten, soll den Hut in den Ring geworfen haben. Boettcher will sich nicht äußern, beklagt indes die Durststrecke hürdenreicher Genehmigungsverfahren: „Die Prozesse sind lang!“
Was wird in diesem Zeitraum aus den Sängern und Tänzern, wenn für mindestens acht Monate die Scheinwerfer für Glamour und funkelnde Fummel erlöschen? „Wir werden Lösungen finden“, verspricht Marvin Boettcher. Er versichert „The show will go on!“ und zwar noch 2025.