Wanne-Eickel. Mit dem „Mondpalast“ hat sich Theatermacher Christian Stratmann einen Traum erfüllt. Rollen verteilte er schon vorher. Riesige Rollen.
Der Mann hat nicht nur ein Leben lang sich selbst erfunden. Christian Stratmann kreierte 2004 eine Schwankbühne, die aus dem Revier heute kaum wegzudenken ist. Donnerstag wird der Prinzipal des Mondpalastes von Wanne-Eickel 65. Lars von der Gönna traf ihn zum Gespräch.
Sie klingen ein bisschen krank, Herr Stratmann.
Stratmann: Och, die Nase ein bisschen vielleicht. Nee, ich werd ja nich krank. Ich steh seit inzwischen 20 Jahren am Einlass, da husten mich die Leute derart an: An mir perlt alles ab. Mein Immunsystem ist wahrscheinlich stärker als das eines Arztes. Jedenfalls schüttel ich mehr Hände als der.
Ihre Unterhaltungsinstitute sind ein Riesenerfolg. Bei wie vielen Besuchern sind wir inzwischen?
Zusammen mit dem Hertener Revuepalast dürften wir jetzt bei einer Million sein. Das hätte ich damals nicht gedacht.
An was haben Sie denn gedacht?
Ich hab eigentlich gar nix gedacht (lacht). Ich hab gedacht: Ich probier das jetzt einfach! Ich hatte auch keine großen Businesspläne aufgestellt.
Das ging auch deshalb, weil Sie den Palast aus eigener Tasche gestemmt haben. Hätte eine Bank wohl gesagt: „Nee, danke!“ ?
Ich glaube nicht, dass das Projekt eine Bank gemacht hätte. Ich war in der glücklichen Lage, niemanden fragen zu müssen. Heute würde ich selbst sogar sagen: Überleg es dir gut. Man muss soviel machen, muss so brennen, das ist echt ein Angang. Ich weiß nicht, ob ich es empfehlen würde. Ich kenne ja auch schwierige Jahre: Geht eine Komödie schief, kostet das richtig Geld. Das merkt man sofort.
Unterm Strich bleibt es ein Wunder. Da denkt man an Christian Stratmann als kleinstes von neun Kindern einer ostwestfälischen Familie. An was denken Sie, wenn Sie Ihre Kindheit sehen?
Ich sehe einen Jungen, der ziemlich oft die Schule geschwänzt hat. Ich denke gerne daran. Ich bin spazieren gegangen, ich hab meinen Tagträumen Raum gegeben, meiner Fantasie, habe viel nachgedacht, rumgesponnen. Ich glaube, das war die Grundlage, dass ich es heute noch kann. Manche Träume sind sogar wahr geworden ...
Sie haben als Student als Redaktionsbote bei Springer gejobbt ...
Ja, das war hochinteressant. Bis heute kriege ich Heimatgefühle, wenn ich Druckerschwärze rieche. Später habe ich bei „Bild“ in Kettwig Gabelstapler gefahren.
Das heißt, Sie können super einparken?
Ja, sogar ’ne große Rolle Papier!
Wenn einer den Humor des Ruhrgebiets kennt, dann Sie. Worüber lacht man im Revier?
Es ist eine der wenigen Regionen in Deutschland, in denen man problemlos über sich selber lachen kann. Ich auch. Ich freu mich, wenn ich auf schöne Formulierungen über mein Aussehen komme. Das Mondpalast-Publikum sieht die Stücke, lacht über die Charaktere aus dem Ruhrgebiet und denkt: „So bin ich auch – oder unsere Tante Änne.“
Sie sind als Kind ins Ruhrgebiet gekommen, kennen das alte und neue Revier gut. Wo ist Licht, wo ist Schatten?
Licht ist, dass der Dreck weg ist, die schlechte Luft, der Minderwertigkeitskomplex. Wer hätte hier früher neue Hotels gebaut, wer hätte geglaubt, dass Touristen kommen? Schatten liegt auf vielen Innenstädten oder dass viel kreatives Potenzial brachliegt. Unheimlich gut gefällt mir, dass es ein neues, starkes Selbstwertgefühl gibt.
Vor Weihnachten ist Ihr Lebensgefährte gestorben. Ihre große Geburtstagsfeier zum 65. haben Sie abgesagt. War es schlimm für Sie, in dieser Zeit den Komödienbetrieb durchzuhalten, nach dem Motto „The Show must go on“?
Im Gegenteil, es hat mich hochgezogen, schon während seiner Krankheit. Die Zeit mit den fröhlichen Besuchern, die Begegnung am Einlass, die hat mir viel Kraft gegeben. Ehrlich: Ich bin heilfroh, dass ich den Mondpalast habe.