Wanne-Eickel. Christian Stratmann übergibt das Zepter an Marvin Boettcher. Warum der Chef geht, wer der neue Besitzer ist und was Besucher in Zukunft erwartet.

Das urkundliche Übertragungsdatum ist kein Aprilscherz: Ab 1.4. gehören der Mondpalast (und Hertens RevuePalast) nicht mehr Christian Stratmann (72). Der Erfinder des erfolgreichsten Volkstheaters in NRW hört auf. Stratmanns Lebenswerk geht dann an Marvin Boettcher über, mit 35 nicht einmal halb so alt wie der „Prinzipal“. Lars von der Gönna traf die beiden zum Gespräch über Abschiede, Anfänge und Übergänge – auf der Bühne ihres Theaters.

Herr Stratmann, es fällt schwer, das zu glauben: Der Mondpalast ohne seinen Vater?! Sprechen Sie es sicherheitshalber noch einmal aus:

C.S.: Die Nachricht ist, dass ich mich aus dem Mondpalast zurückziehe und an einen jungen Mann übergebe, von dem ich überzeugt bin, dass er ihn zeitgemäß weiterführen wird.

Das war fast 20 Jahre ihr „Baby“, eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Was lässt Sie sagen: Es reicht?

C.S.: Ich merke an vielen Dingen, die mir früher keine Schwierigkeiten bereitet haben, dass ich älter werde. Dieses Unternehmen ist ja enorm gewachsen. Ich merke einfach, dass es gut ist, davon entlastet zu werden. Die für freie Theater extrem harte Corona-Zeit hat mich stark belastet. Aber den letzten Ausschlag hat der Tod meines Bruders Ludger gegeben, der noch drei letzte Vorstellungen vor der Brust hatte, und umkippte. Das möchte ich nicht so gerne. Ich möchte schon noch ein bisschen länger leben.

Herr Boettcher, bestimmte Momente im Leben vergisst man einfach nicht. Wo waren Sie, als Christian Stratmann Sie fragte: „Wollen Sie mein Theater haben?“

M.B.: (zeigt ins Parkett). Hier vorne, Reihe fünf, Platz 6, vor „Othello, der Schwatte von Datteln “.

Haben Sie gleich „ja“ gesagt?

M.B.: Natürlich habe ich gepokert und gesagt: „Vielen Dank, ich überleg’ mal.“ Dann bin ich nach Hause, hab’s meiner Frau erzählt und die hat gesagt „Bisse doof? Natürlich machst du das!“ Und wenn ich eins gelernt habe, in der glücklichen Ehe, die ich führe, dann: „Höre auf deine Frau!“

Auch der plötzliche Tod seines Bruders Ludger (r.) war für Christian Stratmann ein Grund, den Mondpalast zu verkaufen.
Auch der plötzliche Tod seines Bruders Ludger (r.) war für Christian Stratmann ein Grund, den Mondpalast zu verkaufen. © BLOSSEY, Hans

Aber auch Sie wollten gleich?

M.B.: Ja! Das hier war schon immer meine Leidenschaft, mein Leben gewesen, auch in den Jahren, in denen ich nicht hier war, haben wir immer Kontakt gehalten.

Sie übernehmen ein Erfolgsmodell, andererseits ist es ein echter Generationswechsel. Machen Sie genauso weiter oder alles anders?

M.B.: Unser Credo ist schon „Never change a winning team“. Sehr gute Ideen verdienen es, den Ideengeber weit zu überleben und sich zu emanzipieren, von dem, der sie mal hatte. An Komödien aus der Lebenswirklichkeit der Leute halte ich ganz sicher fest. Es ist mir für beide Ideen – Mondpalast und und RevuePalast – auch fürs Ruhrgebiet eine Herzensangelegenheit zu sagen: Das geht weiter! Übrigens auch vertraglich: Die Stadt Herne hat vor ein paar Tagen unseren Pachtvertrag bis 2038 verlängert.

Herr Stratmann, der Mondpalast ist eine Marke, ohne Zweifel. Aber Sie sind es auch. Wie haben Sie das eigentlich gemacht: Sie sind kein Schauspieler, kein Regisseur, kein Autor und doch für die Millionen Besucher der Palast in Person. Bloß weil sie abends immer so heiter die Karten abgerissen haben?

C.S.: Das ist übrigens eines der Dinge, die ich noch eine Weile tun werde. Ich bin gefragt worden, und das mache ich gern. Ansonsten sage ich nur noch was, wenn mein Rat gewünscht ist. Zu Ihrer Frage: Ich hatte ja von Theater überhaupt keine Ahnung. Mit dem Mondpalast habe ich einfach ein Theater erfinden wollen, in dem ich als Christian Stratmann gerne Gast sein würde. Es war immer mein Bestreben, Theater von da (er zeigt in den Saal) zu sehen, vom Publikum aus. Das Publikum war für mich immer ganz wichtig. Und ich denke: Sowas merken die Menschen.

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Sie hingen nie am Tropf von Subventionen. Den Palast haben Sie damals komplett aus Ihrer Privatschatulle finanziert. Halten Sie noch Anteile?

C.S.: Nein, Herr Boettcher hat alles gekauft.

Herr Boettcher, schlafen Sie deswegen manchmal schlechter als bisher?

MB: Ich müsste lügen, wenn ich „nein“ sagen würde. Klar, gab es Momente, in denen ich gesagt habe: Puh, da kommt ganz schön was auf dich zu. Aber das waren nur kurze Anflüge. Das zentrale Gefühl war und ist: „Das ist jetzt das, was du schon immer wolltest!“

Überall hier im Haus prangt das Motto „Garantiert Stratmann“. Was machen Sie denn damit?

M.B.: Oh, da haben wir noch gar nicht dran gedacht.
C.S. und M.B.: „Garantiert Boettcher?“ (beide lachen)

M.B.: Da finden wir bestimmt auch noch eine Lösung.

>>> Zur Person: Marvin Boettcher <<<

Christian Stratmanns Titel Prinzipal übernimmt Nachfolger Marvin Boettcher nicht. Er nennt sich nun „Theaterdirektor“. Stationen des in Hattingen geborenen Event- und Kulturmanagers waren neben dem Mondpalast das Thalia-Theater, die Werbeagentur „Jung von Matt“, die Messe Dortmund und das GOP-Varieté. Boettcher lebt mit seiner Familie in Herne.