Herne. Marvin Boettcher aus Herne ist seit einem Jahr Direktor am Mondpalast von Wanne-Eickel. Er gibt zu: Der Anfang war mühselig.

Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass Marvin Boettcher die Geschicke des Wanne-Eickeler Mondpalasts von Christian Stratmann übernommen hat. Hat der Wechsel funktioniert? Und wie fällt Boettchers Bilanz aus?

Für die Antwort benötigt Boettcher im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion nur einen Satz: „Ich bereue die Entscheidung nicht.“ Allerdings: In der Übergangsphase habe es schon Momente gegeben, in denen er sich gefragt habe: „Bist Du Dir sicher, dass Du das machen willst?“ Diese Phase sei mühseliger gewesen als er, aber auch Christian Stratmann es vermutet hätten. Auch wenn sich beide eigentlich einig gewesen seien. Als die Übergabe geschafft war, habe er Euphorie und Freude verspürt.

„Wir wollen jetzt die Zeichen auf Zukunft stellen“

„Nach 20 Jahren Mondpalast wollen wir die Zeichen jetzt auf Zukunft stellen“, sagt Boettcher. Diesen Satz will er jedoch keineswegs als Spitze gegen Christian Stratmann verstanden wissen. Der Prinzipal sei sich bewusst gewesen, dass es kein „Weiter so“ geben könne, dass Veränderungen notwendig seien. „Ihm ist wichtig gewesen, dass der Mondpalast als Idee bestehen bleibt. Er hat gemerkt, dass es so ist, und damit ist er glücklich“, so Boettcher. Er wolle mindestens noch weitere 20 Jahre den Mondpalast führen. „Da stellt sich natürlich die Frage, was man aus der Vergangenheit bewahren will und an welchen Schrauben man drehen muss, um das Haus zukunftssicher aufzustellen.“

Marvin Boettcher und Christian Stratmann vor rund einem Jahr im Mondpalast. Die Grund-DNA des Hauses bleibt erhalten, so Boettcher.
Marvin Boettcher und Christian Stratmann vor rund einem Jahr im Mondpalast. Die Grund-DNA des Hauses bleibt erhalten, so Boettcher. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die Grund-DNA bleibe selbstverständlich erhalten: Stücke aus der Region für die Region, immer in der Lebenswirklichkeit der Menschen. Andere Dogmen weicht Boettcher mindestens auf. Eins lautete: Es müssen immer zehn Akteure auf der Bühne sein. Doch Hausautor Sigi Domke habe gesagt, dass es sehr schwierig sei, zweimal im Jahr Stücke zu schreiben, mit zehn guten Rollen für zehn Schauspielerinnen und Schauspieler. Dies umzustellen, sei eine große Herausforderung gewesen. Jetzt seien bei „Glück aus“ nur noch sieben Akteure auf der Bühne, bei „Ganz in Weiß“ acht. Bei der Wiederaufnahme „Frau Piesewotzki, Libuda und ich“ sogar fünf.

70 Prozent Auslastung in der abgelaufenen Spielzeit

Nach dem Abschied von Christian Stratmann hätten sich die Zuschauer keinesfalls vom Mondpalast abgewandt, „die abgelaufene Spielzeit war überragend“, so Boettcher. „Ich war schon nervös und habe mich gefragt, wie stark der Erfolg des Mondpalasts mit Christian Stratmann verbunden ist.“ Doch die Zuschauerinnen und Zuschauer halten offensichtlich die Treue - und Stratmann selbst sei auch nach wie an vielen Tagen vor Ort und begrüße die Menschen. Gerade „Glück aus“ habe eine grandiose Auslastung von mehr als 80 Prozent im Schnitt gehabt. Über die gesamte Spielzeit seien es für das ganze Haus mehr als 70 Prozent gewesen.

„Glück aus“ hatte eine Auslastung von rund 80 Prozent.
„Glück aus“ hatte eine Auslastung von rund 80 Prozent. © Mondpalast / Arne Pöhnert | Arne Pöhnert

80 Prozent der Gäste kaufen die Tickets online

Was neu war: In diesem Jahr habe der Mondpalast zum ersten Mal Sommertheater angeboten, am ersten Ferienwochenende wurde noch gespielt, und am letzten wird wieder gespielt. Auch das sei bombastisch gelaufen. Statt der erhofften 150 Gäste pro Vorstellung am ersten Ferienwochenende seien es jeweils über 300 gewesen. „Da bin ich sehr erleichtert gewesen.“ Doch diese Erleichterung ist auch das Ergebnis der zunehmenden Digitalisierung, die sich Boettcher zunutze macht: So kann er inzwischen sehr detailliert nachverfolgen, wer online welche Anzeige angeklickt hat und welchen Umsatz er im Ticketshop gemacht hat. Boettcher war es vor Jahren auch, der den Online-Ticketkauf eingeführt hat. Inzwischen kauften 80 Prozent der Gäste ihre Tickets online.

Nun, in der Sommerpause, schaut Boettcher schon auf die kommende Saison. Am 9. Oktober hebt sich für „Rolle rückwärts“ der Vorhang. Das Stück drehe sich um zwei Ruhrgebietsfamilien, die sich angesichts von zahlreichen Problemen in die „gute alte Zeit“ zurücksehnen, aber feststellen, dass früher eben auch nicht alles besser war.

Mondpalast soll stärker anderen Veranstaltungen öffnen

Boettcher setzt sich auch verstärkt mit der Frage auseinander, wie der Mondpalast ausgelastet werden kann, wenn nicht das eigene Ensemble auf der Bühne steht. Inzwischen habe die SPD im Foyer einen Bürgerdialog veranstaltet, der Mondpalast quasi als Stadtteilzentrum. Und die Erich-Fried-Gesamtschule habe ihre Zeugnisvergabe im Saal gemacht. „Für solche Sachen wollen wir uns weiter öffnen.“ Es gebe ja noch genügend spielfreie Tage, um Experimente zu wagen.

Daneben hat Boettcher hinter den Kulissen alles auf den Prüfstand gestellt: Ticketing, Dienstleister, Onlinepräsenzen - bis hin zu Versicherungsverträgen und Fuhrpark. „Das ist immer noch ein laufender Prozess, aber wir haben inzwischen ordentlich aufgeräumt.“ Worauf er stolz ist: Trotz aller Preissteigerungen könne er nach wie vor die Eintrittspreise stabil halten - allerdings die absoluten Preise, denn die Servicegebühr steigt auf vier Euro. Das liege schlicht daran, dass der Zahlungsdienstleister die Preise angezogen habe.

>>> Auch neue Pläne für den Revue-Palast in Herten

Was im Zuge der Übergabe fast untergegangen wäre: Marvin Boettcher hat auch den Revue-Palast auf der Zeche Ewald in Herten übernommen - und hat dort ebenfalls begonnen, ihn weiterzuentwickeln. Unter anderem holt er eine Magic-Show ins Haus. „Wir probieren mal aus, was an dem Standort noch so funktioniert.“ In der Travestieshow gebe es einen neuen Stargast - aus dem Lido in Paris. Das berühmte Theater war ein Opfer der Corona-Pandemie, deshalb seien nun einige namhafte Künstler aus diesem Bereich verfügbar.