Ruhrpott-Charme: Wie das Ruhrgebiet zur stolzen Marke wurde
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Oberhausen. Von Pottkorn bis Bergbau-Mode: Ruhrtourismuschef Axel Biermann erklärt, wie immer mehr Pott-Produkte das Image des Ruhrgebiets verändern.
Woher kommst du? Früher hätte man vielleicht „Nähe Düsseldorf“ gesagt, wenn man das Ruhrgebiet meinte, erzählt Axel Biermann, Geschäftsführer von Ruhr Tourismus. Ursprünglich stammt Biermann aus Stuttgart, doch mit 33 Jahren zog er ins Ruhrgebiet, wo er heute, mit 58 Jahren, fest verwurzelt ist. Ein Großteil seiner Verwandtschaft kommt aus Essen. „In der Schule musste ich mich erst gegen Hänseleien wehren“, erinnert er sich. Damals schämte man sich möglicherweise für das Ruhrgebiet – das habe sich inzwischen grundlegend geändert.
Heute prangen Begriffe wie „Ruhr“ oder „Pott“ stolz und prominent auf zahlreichen Produkten. Sie verkörpern eine Ästhetik, „über die man üblicherweise nicht nachdenkt, ob es eine Ästhetik ist“, so Biermann. Zechen und Hochöfen, Rost und Patina – industriell und symbolisch. Diese Identität hat sich zu einem modernen, beliebten Markenzeichen entwickelt. Das zeigt sich nicht nur auf klassischen Souvenirs, sondern auch auf Alltagsprodukten wie „Pottnudeln“, „Pottlappen“ oder „Pott au Chocolat“ sowie in einer Vielzahl von Spirituosen und Klamotten. Die Vermarktung der Ruhrgebietskultur scheint keine Grenzen zu kennen. Axel Biermann erklärt, wie sich Souvenirs und die Vermarktung der Region im Laufe der Jahre verändert haben – und wie der Pott von einem Ort, über den Nicht-Ruhrpottler einst die Nase rümpften, zu einer stolzen Marke wurde.
Wie haben sich Souvenirs aus dem Ruhrgebiet in den letzten Jahren verändert?
Axel Biermann: Man merkt schon, gerade in den letzten Jahren hat sich da echt was verändert. Die Leute haben eine gewisse Identität und Stolz entwickelt. Das zeigt sich natürlich auch wirtschaftlich. Klar, viele dieser Souvenirs oder Ästhetik der Produkte haben immer noch meistens etwas mit dem Bergbau zu tun. Aber was echt spannend ist: Man sieht immer mehr, wie kreative Köpfe da reingehen und richtig spannende Sachen machen. Von Klamotten bis hin zu so Sachen wie Pottkorn (lacht). Da merkt man einfach, da passiert was – und das macht die Region auch besonders.
Warum hat sich die Souvenir-Kultur im Ruhrgebiet verändert?
„Das Ruhrgebiet besitzt den Charme einer noch weitgehend unentdeckten Region, abseits der üblichen Touristenpfade.“
Ausgangspunkt war die Industriekultur, vor allem durch die Internationale Bauausstellung Emscherpark (1989–1999). Damals ging es darum, prägende Architektur zu erhalten, die zwar ursprünglich reine Zweckbauten waren, aber auch ikonische Highlights ihrer Zeit darstellen. Das hat dazu geführt, dass Orte wie der Gasometer in Oberhausen zu Identifikationspunkten wurden. Auch das wirkt sich auf die Menschen aus: Der Oberhausener ist stolz darauf, dass sein Gasometer jährlich eine halbe Million Besucher anzieht. Oder der Essener, der stolz auf seine Zeche Zollverein ist, die mit 1,5 Millionen Besuchern eines der Top-Highlights in NRW ist – direkt hinter dem Kölner Dom. Oder andere Sehenswürdigkeiten wie der Landschaftspark Duisburg-Nord oder das Bochumer Jahrhunderthalle gehören dazu. Sie ziehen Touristen und Tagungsgäste gleichermaßen an und haben die regionale Identität gestärkt. Dadurch war es fast schon logisch, dass sich auch eine kreative Souvenirkultur entwickelt hat, die die Vielfalt und Größe dieser Region widerspiegelt.
Viele Souvenirs aus dem Ruhrgebiet zeigen die Industriekultur. Ist das nicht zu einseitig, wenn die Region doch viel mehr zu bieten hat?
Ja, das ist tatsächlich nicht so einfach. Souvenirs sollten authentisch sein und einen klaren Bezug zur Region aufweisen, die sie repräsentieren. Das Ruhrgebiet ist vor allem für seine Industriekultur bekannt, und genau das sollte sich auch in den Souvenirs widerspiegeln. Gleichzeitig wollen wir die grünen Seiten der Region stärker in den Vordergrund zu rücken. Denken wir etwa an den Essener Süden, das Ruhrtal, die Kirchheller Heide oder die Elfringhauser Schweiz – Naturjuwelen, die eine perfekte Brücke zwischen Industriekultur und Natur schlagen könnten. Derzeit setzen wir viel darauf, Wanderungen und Outdoor-Aktivitäten wie Gravelbiking zu fördern. Dennoch stehen wir touristisch noch am Anfang. Im Vergleich zu anderen Regionen ähnlicher Größe verzeichnen wir immer noch weniger Übernachtungen. Doch gerade darin liegt auch ein besonderer Reiz: Das Ruhrgebiet besitzt den Charme einer noch weitgehend unentdeckten Region, abseits der üblichen Touristenpfade.
Geschenke aus dem Ruhrgebiet: Pottliebe unterm Baum
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Was verraten Pott-Produkte und Ruhrgebiets-Souvenirs über die Menschen in der Region?
Ich erkläre es immer so: Eine Stadt oder Region, die sich stolz und selbstbewusst zeigt, vermittelt den Menschen vor Ort ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit. Wenn sie sehen, dass ihr Wohnort wertgeschätzt wird – ohne in Klischees zu verfallen – stärkt das das Vertrauen in ihre Wahl des Lebensmittelpunkts. Umgekehrt: Wenn sich die Menschen mit ihrer Umgebung verbunden fühlen, schaffen sie Produkte oder Kunstwerke, die ihre Heimat widerspiegeln. Diese tragen nicht nur zur Bewahrung der Identität bei, sondern machen sie auch sichtbar. Sei es der Stolz auf die industrielle Geschichte oder die Wertschätzung von Ehrlichkeit und Selbstironie – solche Elemente prägen die Region und werden von den Menschen, die hier leben, lebendig gehalten. So werden sie auch zu wichtigen Botschaftern ihrer Heimat.
Es gibt ja mittlerweile wirklich alles an Souvenirs aus dem Ruhrgebiet. Was hat Sie zuletzt überrascht?
Ja, da gibt es mittlerweile wirklich alles Mögliche! Aber was mich vor Kurzem wirklich überrascht hat, waren kleine Kauenlatschen – in diesem klassischen Hellgrün, aber als Fruchtgummi oder Schaumgummi. Ich habe die neulich bei einer Veranstaltung als kleines Souvenir oder Präsent in die Hand gedrückt bekommen (lacht).
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