Essen. Der spanische Regiestar erzählt von zwei Frauen, dem Tod und der Freundschaft. Überzeugend sind zumindest die Hauptdarstellerinnen.
Pedro Almodóvar wurde unlängst 75 Jahre alt. Spaniens größter Regiestar, seit das Land zur Demokratie erblühte, stand anfangs für einen wilden Aufbruch, der die Fesseln der Diktatur mit fröhlichem Bekenntnis zu Farben und Sex abschüttelte, aber erst am Ende der 80er-Jahre auch hierzulande auf sich aufmerksam machen konnte.
Seither ist Pedro Almodóvar eine gefeierte Regie-Ikone, die den iberischen Machismo ein ums andere Mal bloßstellte zugunsten starker Frauen und schwuler Männer. In den letzten zehn Jahren wurde sein Kino milder in Auftritt und Aussage und sonnte sich, gut eingecremt in melodramatischer Unterhaltungspolitur, im Glanz der Star-Aktrice Penelope Cruz. Das löste keinen Aufruhr mehr aus, fand aber angesichts seines Stil-Vermögens auf Festivals dankbare Resonanz; zuletzt in Venedig, wo seine jüngste Arbeit mit dem Hauptpreis, dem Goldenen Löwen beschenkt wurde. „The Room Next Door“ spielt in den USA und präsentiert in den Hauptrollen zwei gereifte Monumente femininer Schauspielkunst.
„The Room Next Door“ im Kino mit Julianne Moore und Tilda Swinton
Julianne Moore, immer noch mit linkischem Blinzeln in den Augen- und Mundwinkeln, spielt Ingrid, eine erfolgreiche Schriftstellerin, die während einer Signierstunde erfährt, dass eine frühere Freundin, die Kriegsreporterin Martha, unheilbar an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange zu leben haben wird. Damit kommt Tilda Swinton ins Spiel. Androgyn und drahtig mager wie eh und je, mit streng gekämmtem Kurzhaar und schmalen Lippen, gibt sie den denkbar drastischen Gegenentwurf zu Julianne Moores weicher Weiblichkeit. Der Rest ist schiere Konfrontation zweier Frauen, von denen die eine helfen will, während die andere im sicheren Todesbewusstsein jede Geste und Regung so manipuliert, als wolle sie sich die Freundin wie eine Marionette gefügig machen.
Konkret greifbar ist dieses emotionale Spannungsverhältnis nicht. Mal wähnt man sich in einem psychologischen Thriller aus der Schule der großen Patricia Highsmith, dann wieder wirkt alles Geheimnisvolle nur wie die schillernde Fassade von etwas, dem gar kein Geheimnis innewohnt.
„The Room Next Door“: Pedro Almodóvar muss sich nichts mehr beweisen
Pedro Almodóvar inszeniert das mit der lässigen Eleganz eines Meisters, der sich nichts mehr beweisen muss. Er lässt den Stars lange Leine in schönen, sterilen Dekors, wo die Farben von früher zwar alle noch da sind, nur eben jetzt gedämpft, ins Pastell verwaschen. All das schwermütig gepolstert in die geschmackvoll arrangierten Musikklänge von Alberto Iglesias.
„The Room Next Door“ ist ein hübsch anzuschauendes Alterswerk mit Anklängen ans Psychologische bei Ingmar Bergman („Persona“) und Woody Allen („Innenleben“) und das Plüschig-Melodramatische bei Max Ophüls („Brief einer Unbekannten“) und William Wyler („Die Erbin“). Frauenkino, beherrscht und edel, aber auch komplett frei von Enthusiasmus und Temperament.