Essen. Patrick Bierther und Kay Gropp haben einen neuen Wanderführer geschrieben. „Wanderglück Industriekultur“ vereint zwei Freizeit-Trends.

Alles begann mit dem Großvater. Der Senior nahm den Enkel gern mit bei seinen Touren ins Grüne: Es ging zum Baldeneysee und in den Essener Süden, damals war Patrick Bierther noch ein Kind. Aber irgendwas ist hängengeblieben. Und so entdeckte er spätestens als junger Familienvater die Lust am Wandern wieder, „schon, weil ich den Kinderwagen nicht immer um denselben Block schieben wollte.“ Parallel hat sich der Journalist und Autor beruflich viel mit der Industriekultur im Ruhrgebiet beschäftigt. Und so kam schließlich eins zum anderen: Die Freude an der Bewegung an der frischen Luft. Die Lust an der Spurensuche in „seiner“ Region.

Mit „Wanderglück Industriekultur“ legt der gebürtige Essener einen Wanderführer vor, der beide Aspekte vereint. Im vorigen Jahr lud Bierther in Teil eins zur Entdeckung des westlichen Ruhrgebiets, jetzt hat er sich zusammen mit Co-Autor Kay Gropp den Osten, das westfälische Ruhrgebiet, vorgenommen: 14 Touren haben es am Ende in ihr Buch geschafft. Alle sind zwischen neun und 15 Kilometer lang, alle sind Familientouren und Rundwege; man kehrt also entspannt zu seinem Ausgangspunkt zurück.

Patrick Bierther, Autor und Journalist, legt mit „Wanderglück Industriekultur“ einen neuen Wanderführer vor. Co-Autor des zweiten Bandes ist Kay Gropp.
Patrick Bierther, Autor und Journalist, legt mit „Wanderglück Industriekultur“ einen neuen Wanderführer vor. Co-Autor des zweiten Bandes ist Kay Gropp. © Jochen Tack | Jochen Tack

Rund 200 Kilometer war Bierther bei seinen Testläufen unterwegs. Und hat dabei selbst als kundiger NRWler immer noch Neues entdeckt. So räumt er unumwunden ein, von der Stadt Herdecke zuvor keine rechte Vorstellung gehabt zu haben. Nach seinem Besuch war er begeistert: „Eine schöne Altstadt, eingebettet zwischen zwei Stauseen und das alles zu Fuß des Ardeygebirges“, schwärmt er. „Es ist traumschön da. Wenn so ein Ort in Italien oder in der Schweiz läge, wäre er weltberühmt.“ Jetzt finden sich seine Erlebnisse zum Nachlaufen und Nachempfinden in der Tour Nr. 7 wieder: „Die Kraft des Wassers. Viel Energie in Herdecke.“

„Wanderglück Industriekultur“: Die Zeche Hannover und die Zeche Zollern

Aber es gibt noch so viel mehr. Eine Siedlungstour rund um die Zeche Hannover etwa („Schöner Wohnen in Bochum und Herne“, Tour 4). Eine Wanderung von Zeche zu Zeche durch Waltrop und Lünen („Jugendstil und das Ei des Colani“, Tour 11). Oder eine Wanderung rund um Dortmunds Zeche Zollern, laut Bierther ein echter Foto-Hotspot. „Das ist ja ein wahres Schloss der Arbeit mit Zinnen, Türmchen und Spitzbogenfenstern“. Von dort aus geht es zur Wasserburg Schloss Dellwig und dann via Volkspark wieder zurück („Vom Schloss der Arbeit zum Schloss des Adels“, Tour 10)

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Bierther kann sehr anschaulich vom Reichtum der Region berichten, in der Industriegeschichtliches auf einzigartige Weise auf Wälder, Wiesen, Seen, Flüsse und Parks treffe. „Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal.“ Umso unverständlicher, dass die Industriekultur bisher bei Freizeitführern geradezu stiefmütterlich behandelt werde.

Hier will das Buch Abhilfe schaffen. Es lädt dazu ein, Bauwerke, Siedlungen und Halden fußläufig zu erkunden. Es mache nun mal einen großen Unterschied, ob man die Route Industriekultur mit dem Auto fahre oder sie etappenweise erlaufe, betont Bierther. „Bei einer Wanderung wird einem erst das gigantische Ausmaß einer Zechen-Anlage klar.“

Blick auf das Bergwerk Fürst Leopold in Dorsten. Ein Bild aus dem Wanderführer „Wanderglück Industriekultur. Zu Fuß durchs östliche Ruhrgebiet“
Blick auf das Bergwerk Fürst Leopold in Dorsten. Ein Bild aus dem Wanderführer „Wanderglück Industriekultur. Zu Fuß durchs östliche Ruhrgebiet“ © Klartext Verlag | Patrick Bierther/Kay Gropp

Bierther freut sich, gleich zwei Freizeit-Trends auf einen Schlag zu bedienen. Der eine ist das Wandern im Grünen, das seit Corona einen ungebremsten Boom erlebt. Das andere die Entdeckung des industriekulturellen Erbes. „Dabei lohnt sich auch der Blick auf den Strukturwandel.“ Beispiele sind die IBA-Emscherpark, der Maximilianpark in Hamm oder der Nordsternpark, der im Zuge der Bundesgartenschau in Gelsenkirchen auf dem Gelände der Zeche Nordstern entstanden ist. Und: Wo früher Zechenbahnen fuhren, befinden sich heute vielerorts großartige Fuß- und Radwanderwege.

Ein weiterer Vorteil ist die gute Infrastruktur. „Das ist ja hier auch ein Ballungsraum.“ Der Wanderführer nennt für alle Touren Verpflegungsstationen, vom Ausflugslokal bis zum klassischen Imbiss oder Kiosk. „Verhungern muss unterwegs keiner.“ Außerdem gibt es Infos zu Anfahrt, Parkmöglichkeiten, ÖPNV, möglichen Abkürzungen und Abstechern. Und wer mag, kann sich die Touren auch als GPX-Datei auf sein Handy laden.

„Wanderglück Industriekultur“: Patrick Bierther ist ein „Genusswanderer“

Bierther legt größten Wert darauf, dass er ein „Genusswanderer“ ist. Den Ehrgeiz, Strecke zu machen, hat er nicht. Für ihn zählt vor allem die Entschleunigung, „man muss die Umgebung gut aufnehmen können.“ Am Wochenende hat sich Besuch aus der Schweiz angekündigt, mit dem will er die übliche Erkundungstour durch Essen-Werden machen: Die St.-Ludgerus-Basilika, die Altstadt, der Baldeneysee. „Die Vorurteile über das Ruhrgebiet sind ja unausrottbar“, weiß Bierther. Dem gilt es eisern entgegenzuwirken. „Und jedesmal kommt dieselbe Reaktion: Boah, ist das schön grün hier!“

Patrick Bierther/Kay Gropp: „Wanderglück Industriekultur. Zu Fuß durchs östliche Ruhrgebiet“. Klartext-Verlag, 160 Seiten, 18,95 Euro