Ruhrgebiet. Vor 30 Jahren ging das milliardenschwere Zukunftsprogramm Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) an den Start. Eine Erfolgsgeschichte.

Sonntag geht’s gerne auf die Gelsenkirchener Halde, hoch zur ,Himmelstreppe’. Von der Spitze des Berges begeistert uns der Blick in ein grünes Panorama und über das mittlere Ruhrgebiet. Gästen zeigen wir mit Stolz den illuminierten Hochofen in Duisburg. Oder radeln wie selbstverständlich an der Emscher entlang und genießen den Naturraum am Wasser. Danke IBA!

Vielleicht gehen wir heute noch Schlittschuhlaufen auf Zollverein – drehen unsere Runden vor der Winterkulisse der erkalteten Koksöfen. Ohne IBA ständen die wohl nicht mehr.

Ein visionäres Projekt

So viele Ziele, so viele Möglichkeiten hier im Revier. So viele Kulturorte und Freizeitangebote. Die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA), visionäres Projekt und Prozess einer neuen Stadt- und Landesentwicklung, hat es möglich gemacht.

Vor 30 Jahren ging das milliardenschwere Zukunftsprogramm an den Start – initiiert vom damaligen NRW-Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, Christoph Zöpel, gefördert von seinem Ministerpräsidenten Johannes Rau und umgesetzt von Karl Ganser und seinem Team. Zöpel erzählt es immer wieder gerne: Bei einem Waldspaziergang mit seinem Mitarbeiter und Freund Karl Ganser in den Augsburger Wäldern entstanden die ersten Ideen für neue Impulse zum wirtschaftlichen Wandel einer alten Industrieregion. Die war jahrzehntelang von Kohle und Stahl geprägt und Ende der 1980er-Jahre letztendlich ausgeblutet.

Christoph Zöpel, SPD-Politiker und Vorsitzender des Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Zöpel war Landesbauminister und Organisator der IBA.
Christoph Zöpel, SPD-Politiker und Vorsitzender des Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Zöpel war Landesbauminister und Organisator der IBA. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

All die lieben Nachbarn von früher, die Zechentürme, Gasometer, die Schornsteine oder Stahlriesen, Halden und Höhen, diese zurückgelassenen Monumente der Montanindustrie, wären ohne die IBA wohl für immer verschwunden. Christoph Zöpel erinnert an die Anfänge – jüngst noch beim Dortmunder Forum StadtBauKultur auf der Kokerei Hansa in Huckarde. Motto sei damals gewesen: „Abreißen kann man immer noch“. Der Versuch, die Zeugnisse einer hochspannenden Technik- und Sozialgeschichte einem „kontrollierten Verfall“ zu überlassen, „hat leider nicht funktioniert“, weiß Zöpel. Es mussten andere zukunftsfähige Konzepte her, den Strukturwandel städtebaulich voranzutreiben. Aber mehr als das. Auch sozial, kulturell und ökologisch sollten Menschen und Städte bei der Neu-Ausrichtung profitieren.

Nur zehn Jahre währte die Internationale Bauausstellung Emscher Park, die das Ruhrgebiet so nachhaltig geprägt hat. „Das war keine klassische Bauausstellung“, stellt Zöpel klar, „die IBA war ein Prozess nachhaltiger Stadtentwicklung.“

Ankerpunkte und Naturräume

Bedeutende industriekulturelle und landschaftliche Infrastrukturprojekte und bedeutende Orte der Naherholung und der Kultur sind mit der IBA entstanden – sei es die Jahrhunderthalle in Bochum, der Gasometer in Oberhausen, der Landschaftspark Nord in Duisburg, die vielen Ankerpunkte und neue Naturräume.

Auch der Emscher Landschaftspark fußt auf IBA-Impulsen. Der ökologische Umbau des Emscher-Systems – ein Milliardenprojekt, das aktuell in seine finale Phase kommt – gilt als eines der größten Infrastrukturprojekte in Europa. Das neue Emschertal zu bauen – 100 Kilometer Industrie-Gewässer von der Quelle in Holzwickede bis zur Mündung in Dinslaken zu renaturieren, aus dem einstigen Stinker wieder einen lebendigen Fluss zu machen, ist ein international stark beachtetes Generationenprojekt. Christoph Zöpel, der immer Ruhr sagt, wenn er die Revier-Region meint, ist überzeugt davon, dieses Knowhow könne weltweit gefragt sein. Hier könne Ruhr eine Vermittlerrolle übernehmen und Vorbild sein, „wie man aus der Montanindustrie erfolgreich aussteigen kann“.

Ohne IBA kein Zollverein

Ohne die IBA gäbe es allerdings auch keine „Route der Industriekultur“ mit Highlights wie dem UNESCO-Weltkulturerbe Zollverein Essen, dem Schloss der Arbeit, der Jugendstil-Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen, dem Bauhaus-Vorläufer Hohenhof in Hagen oder auch der Kokerei Hansa, Geschäftsstelle der Stiftung Industriedenkmalpflege.

Vergnügung statt Maloche: Die Eisbahn auf der Kokerei Zollverein.
Vergnügung statt Maloche: Die Eisbahn auf der Kokerei Zollverein. © Jochen Tack / Stiftung Zollverein | Jochen Tack / Stiftung Zollverein

Und ohne Karl Ganser, dem kreativen Kopf und IBA-Geschäftsführer, würde die Stadt Unna gleich gar nicht auftauchen auf der Karte der kulturellen Höhepunkte an historischen Orten. Schlimmstenfalls wäre die ehemalige Lindenbrauerei einem Supermarkt gewichen oder als x-beliebiges Bier-Museum untergegangen. Karl Ganser war es, der mit lokalen Akteuren 11 Meter tief unter der Erde die Idee eines Lichtkunst-Museums in den Kellerräumen entwickelte – heute geadelt von international renommierten Künstlern und weit gereisten Gästen.

Bei rund 120 Projekten im Rahmen der IBA zündete natürlich nicht jede Idee. Aber wenn irgendetwas ganz falsch gelaufen ist, sagt Zöpel, „dann war es die fehlende Verkehrsplanung“. Der Ex-Landesbauminister, den aktuell noch Lehraufträge an der TU Dortmund und der Uni Bochum fordern, muss es wissen. Er fährt Bahn.

Fast täglich klagt der Bochumer über den öffentlichen Personennahverkehr im Ruhrgebiet: über schlechte Taktzeiten, den Tarifdschungel und immer wieder Verspätungen.

Moderne Mobilität - das Thema würde locker eine neue Dekade füllen.

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