Dortmund. . Haus Dellwig wurde lange Zeit von Adeligen, später von Kohlenbaronen bewohnt. Heute widmet man sich hier der Heimatgeschichte und der Erholung.

Wenn man im Kaminzimmer im Untergeschoss des Hauses Dellwig steht, atmet man Geschichte. Allerdings ist diese Geschichte zunächst nicht ganz so alt und schwer, wie man vermuten könnte. Denn hier sieht’s im Prinzip so aus, wie man sich ein Herrenhaus in den 1970ern vorgestellt hat. Mit damals modernen Ledersesseln, mit rustikalem Tresen, halt ein wenig so, wie die Veba das Haus seinerzeit an die Stadt Dortmund übergab. Der Adel, der damals hier residierte, war Kohleadel, die Wasserburg gehörte fast das ganze 20. Jahrhundert über zur Gelsenkirchener Bergwerks-AG (GBAG), die später von der Veba gekauft wurde. Man kann sich bildhaft vorstellen, wie einst Veba-Vorstand Rudolf von Benningsen-Foerder hier mit Bundespräsident Walter Scheel eine Zigarre paffte und über die Geschicke der Zeit redete, versteckt hinter Zäunen, die das Gelände säumten, bewacht von Polizisten, denn dort draußen im Land trieb ja die RAF ihr tödliches Spiel.

Ein repräsentativer Barockbau mit Wassergraben

Heinz-Georg Hücker am Kamin im Besprechungszimmer des Hauses Dellwig.
Heinz-Georg Hücker am Kamin im Besprechungszimmer des Hauses Dellwig. © Ralf Rottmann

Der Mann, der heute im Haus Dellwig wohnt, heißt Heinz-Georg Hücker (61), ist Landwirt und hat das schmucke Haus von der Stadt Dortmund gepachtet, so wie es 1978 schon sein Vater Franz getan hat. Die Hückers bewohnen die obere Etage – und erhalten den unteren Teil des Hauses, das insgesamt nicht frei zugänglich ist. „Zu Bergbauzeiten hingen hier alte Vorderlader, Armbrüste und Jagdtrophäen“, erzählt Hücker. Denn die Kohlenbarone gingen gern zur Jagd. Die Geweihe manches Zwölfenders hängen hier noch immer an den Wänden.

Was heute als repräsentativer Barockbau zu sehen ist, stammt aus der Zeit um 1658, doch lange vorher stand an dieser Stelle eine Burg. Im 13. Jahrhundert lebte das Adelsgeschlecht von Dellwig darauf – leider sind aus dieser Zeit nur die Keller erhalten geblieben, man weiß nicht, wie die alte Burg ausgesehen hat.

Paul Schockemöhle war an Haus Dellwig interessiert

Als die Veba 1977 das Haus und Gut Dellwig zum Verkauf für 15 Millionen D-Mark anbot, war unter anderem Springreiter Paul Schockemöhle daran interessiert – und wer weiß, vielleicht hätte Lütgendortmund auf diese Weise ein eigenes Reiterparadies erhalten.

Der große Besprechungstisch im Gemäuer.
Der große Besprechungstisch im Gemäuer. © Ralf Rottmann

Doch für die Bevölkerung war es ein Glücksfall, dass die Stadt an Hücker verpachtete, der einen Teil des Landes bewirtschaftet. Der andere Teil wurde zum Naherholungsgebiet. „Sie können hier eine ganze Stunde lang herumlaufen – und kreuzen dabei nur eine einzige Straße“, erzählt Heinz-Georg Hücker. Was sich im Anschluss entwickelte: 1988 fand sich eine Schar von geschichtsinteressierten Bürgern zusammen, um das Heimatmuseum Lütgendortmund zu gründen, das heute im landwirtschaftlichen Hofgebäude untergebracht ist. Heinz-Georg Hücker gehörte zu den Gründungsmitgliedern, die sich um den Ratsherrn Heinz Jander zusammengefunden hatten – das Museum hatte zunächst nur 80 Quadratmeter. „Ursprünglich ist unser Heimatmuseum aus einer Schnapsidee entstanden. Ein Dorfschmied musste damals seine Schmiede schließen – und fragte: Wo soll denn mein altes Werkzeug hin?“ erzählt Antje Steber vom Heimatmuseum Lütgendortmund. Man beginnt mit einem Blick in die historische Landarbeiterwohnung, mit rustikaler Küche und guter Stube, in der neben plüschigen Sesseln auch ein schwarzes Brautkleid ausgestellt ist, das davon zeugt, dass die Normalsterblichen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts keineswegs in Weiß heirateten.

Dortmund, so wie es vor 100 Jahren war

Ein historischer Pferdewagen im Heimatmuseum
Ein historischer Pferdewagen im Heimatmuseum © Ralf Rottmann

Heute kann man hier ein authentisches Bild des Lebens in Dortmund vor 100 Jahren und davor erhalten. So findet sich ein Friseurstuhl nebst Ondulierstäben, Lockenwickler-Erhitzer und einer einfachen Zahnarztausrüstung, denn früher zog der Barbier ja noch die Zähne. Wer sehen will, wie eine Hausschlachtung funktionierte, findet Messer, Beile, Bolzenschuss-Gerät und Fleischwolf – nur das Schlachtvieh fehlt.

Ein anderer Teil des Heimatmuseums widmet sich der Landwirtschaft: Hier ist eine Reihe historischer Pflüge ausgestellt, die deutlich machen, wie mühsam das Bestellen des Ackers seinerzeit gewesen sein muss. Es gibt Pferdegeschirr und Halfter, eine Buttermaschine – und einen historischen Traktor.

Eigens gebrautes Dortmunder Bier

Fahrbereit: der Hanomag-Traktor des Heimatmuseums.
Fahrbereit: der Hanomag-Traktor des Heimatmuseums. © Ralf Rottmann

Bewirtschaftet wird das Heimatmuseum zudem, denn im „Café Kuhstall“, das seinen Namen wegen der damaligen Nutzung des Gebäudeteils trägt, hat der Heimatverein eine Gaststätte eingerichtet. Und natürlich trinkt man hier noch echtes Dortmunder Bier, wenn man Glück hat sogar „Dellwig Gold“, das von Vereinsmitglied Klaus Schäfer im Museum selbst gebraut wird, ein trübes, dunkles Bier, weil es eben nicht gefiltert ist.

Doch noch einmal zurück zu den Kohlenbaronen: Auch sie verhielten sich mitunter ritterlich. Als 1945 der Dortmunder Nazi-Gauleiter Albert Hoffmann dem Polizeichef befahl, 30 000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene auf die untersten Sohlen der Zechen Gottessegen und Hansemann zu bringen, um sie dort einzumauern oder durch Abschalten der Pumpen ertrinken zu lassen, lehnte GBAG-Chef Werner Haack ab, sich an solch einer Gräueltat zu beteiligen. Sein Arbeitssitz: Haus Dellwig.

>>> Oldtimer Traktoren treffen sie hier zu Pfingsten

Am Pfingstsonntag (4.Juni) treffen sich wieder die Besitzer zahlreicher Oldtimer-Traktoren am Haus Dellwig. Das Heimatmuseum Lütgendortmund nimmt selbst mit seinem Hanomag-Traktor teil. Es werden verrückte Trecker-Dinos gezeigt und in Aktion vorgeführt. www.museum-luedo.de