Essen. Der Bergische Weg wurde in diesem Jahr ausgezeichnet. Wir haben Etappe eins getestet, einschließlich ÖPNV. Ein echtes Erlebnis!
Vor die Wanderlust hat die Deutsche Bahn den ÖPNV gesetzt. Wir stehen pünktlich am Düsseldorfer Hauptbahnhof, doch der Zug nach Essen – fällt aus. Ersatzlos gestrichen. Irgendwann kommt der nächste, wir steigen ein. 50 Minuten Wartezeit, verkündet die Anzeige im Gang, sobald wir sitzen. Also wieder raus. Und nachfragen. „Keine Ahnung, hier herrscht heute das totale Chaos“, stöhnt ein Bahnbeamter, der weit vorn im Schatten der Lok Schutz vor den aufgebrachten Reisenden sucht. Heute?
Schließlich haben wir Erfolg. Waggons nach Osnabrück rollen an, jenseits jedes Plans, über eine Stunde verspätet – aber für uns kommen sie goldrichtig. Noch ein letzter couragierter Sprint zum richtigen Gleis. Und die Tour kann starten. Die Laune klärt sich, die Sonne steht inzwischen hoch am Himmel, aber jetzt nähern wir uns tatsächlich. Ziel ist der Wanderparkplatz beim Gasthaus „Heimliche Liebe“ oberhalb des Essener Baldeneysees. Denn dort beginnt er, der Bergische Weg.
Der Bergische Weg ist jetzt offiziell der schönste Fernwanderweg Deutschlands
Vom renommierten Wandermagazin wurde er just zum schönsten Fernwanderweg Deutschlands gekürt: 259 Kilometer, 14 Etappen, von Essen bis zum Drachenfels ins Siebengebirge verläuft die Tour, letzte Station: Königswinter am Rhein. Eine Verbindung zwischen dem Bergischen Land, dem Ruhrgebiet, dem Sauerland und dem Rheinland.
Unterwegs warten landschaftliche und kulturelle Highlights, etwa der Müngstener Brückenpark, der Altenberger Dom, die Wahnbachtalsperre – wer mag, sattelt auf andere Wege um. Der Neanderlandsteig verläuft hier, der Natursteig Sieg, auch zum Bergischen Panoramasteig besteht eine Verbindung. Viele gute Gründe, dem 2013 eröffneten Bergischen Weg in diesem Jahr zum vierten Mal das Siegel „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ des Deutschen Wanderverbands zu verleihen. Im August wurde er dann hochoffiziell zum „Schönsten“ gekürt. Ehre, wem Ehre gebührt.
Denn: Schön ist er, größtenteils leicht zu erlaufen und umgeben von sattem Grün. Aber eben auch nicht ganz unkompliziert. Wer einzelne Etappen zurücklegen möchte, muss kreativ sein oder mit zwei Autos fahren, weil er nicht zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Eine – nun: Lösung – bieten Bus und Bahn. Aber der Reihe nach.
Vom Essener Hauptbahnhof aus gewinnen wir allmählich an Tempo. In einer Viertelstunde fährt der Bus 145 bis zur Haltestelle „Drosselanger“. Und von dort kann man einsteigen. Der Wanderzuweg führt am Minigolfplatz vorbei bis zur „Heimlichen Liebe“. Und hier begegnet er einem das erste Mal. Der typische Wegweiser: eine geschlängelte Linie auf orangefarbenem Grund, die uns die nächsten dreieinhalb Stunden begleiten wird.
Die erste Etappe des Bergischen Wegs führt von Essen bis Velbert
Unsere Teststrecke ist die erste Etappe von Essen bis Velbert. 11,41 Kilometer, 225 Höhenmeter – geht noch. In Langenhorst (nie gehört) müssen wir dann schauen, wie wir zurück nach Düsseldorf kommen. Aber noch ist der Endpunkt lange hin. Und wir geraten bald ins Staunen. So grün kann das Ruhrgebiet sein. Auf einem angenehm schattigen Weg geht es durch den dichten Buchenwald, vorbei an idyllischen Aussichtspunkten und den Überresten der Burg Isenburg bis zum Ufer des Baldeneysees, wo sich an diesem Samstag die Ausflügler tummeln. Skater, Radfahrer, Spaziergänger, alle unterwegs. Deshalb vorab eine Einschränkung: Wer die pure Einsamkeit sucht, sollte vielleicht eine andere Etappe des „Schönsten“ wählen.
Dafür kann man einen Blick auf das ehemalige Fördergerüst und das Pförtnerhäuschen der Zeche Carl Funke werfen. Und es gibt einige Einkehrmöglichkeiten. Zwischen einem Restaurant namens „Chicago“ und Cafés am See kann man schon mal verloren gehen.
Wir aber bleiben auf Kurs. Die Tour führt am Ufer entlang, dann wird es allmählich ruhiger. Wir sind im Vogelschutzgebiet Heisinger Bogen, wo man mit ein bisschen Glück und einem guten Fernglas seltene Vögel beobachten kann. Hier hat sich eine Graureiherkolonie angesiedelt, auch Kormorane wurden schon gesichtet. Der Eisvogel soll hier zuhause sein, die Krickente und der Zwergtaucher. Mit bloßem Auge können wir zumindest einen einsamen Reiher ausmachen. Ansonsten bleibt es beim akustischen Vergnügen: ringsherum das große Zwitschern.
Etappe eins des Bergischen Wegs: Eine fiese Steigung gibt es doch
Weiter geht es bis zur alten Eisenbahnbrücke und hinüber ans andere Ufer. Ein Abstecher führt über die Gleise nach Kupferdreh, dann wieder abwärts zum Hardenberg-Ufer. Später landen wir wieder im Wald, wo die Pfade zusehends schmaler werden. Wir haben zum wiederholten Male Glück. Es hat lang nicht geregnet, so dass es nicht matschig oder rutschig ist. Nur an einer Stelle muss man ein bisschen klettern.
Der Weg ist bequem, aber eine fiese Steigung gibt es dann doch. Sie reicht hoch bis zum Golfclub Essen-Heidhausen, danach Felder und Wiesen. Und wieder Wald. Kurz davor verlässt uns die Beschilderung. Inzwischen brennen die Waden, in einer Siedlung fragen wir nach. Ein älterer Herr schaut mitleidig. „Noch fünf Kilometer bis Langenhorst.“ Kann das sein? So fühlt sich Verzweiflung an.
Nun, ganz so weit ist es nicht mehr. Schließlich stehen wir in Langenhorst, wo wir tatsächlich einen Bus entdecken (OV4). Er bringt uns bis zum Velberter Busbahnhof, von dort aus steigen wir in den SB66 Richtung Wuppertal Hauptbahnhof. Und so endet unsere Reise, wie sie begonnen hat: In den Fängen der Deutschen Bahn. Mit einer läppischen Viertelstunde Verspätung fährt der Zug nach Düsseldorf ein. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Alle Informationen zum Bergischen Weg stehen hier.