Essen. Der Stile-prägende Saxophonist war Pfadfinder und Revoluzzer gleichermaßen. Jetzt ist er mit 89 Jahren verstorben. Der Jazz verliert eine Säule.

Wayne Shorter ist tot. Der Saxophonist starb am 2. März im Alter von 89 Jahren in Los Angeles. Schon seit Jahren machten dem Amerikaner Krankheiten zu schaffen, Fans sammelten im Internet Spenden für seine Behandlungen. Überraschend kommt sein Tod nicht. Trotzdem. Mit Shorter ist ein Pfadfinder gestorben, ein Wegbereiter. Aber, gerade in seinen späten Jahren, auch ein Revoluzzer des Jazz.

Wayne Shorter war Ruhepol und Visionär

In Miles Davis’ zweitem Quintett war er der Ruhepol. Aber gleichzeitig ein Visionär. Sich auch außerhalb des gerade klingenden Akkords zu bewegen, Wayne Shorter hat das salonfähig gemacht. Davon zehrt die Jazzwelt noch heute. Gleichzeitig schuf er beim Label „Blue Note“ Stücke, die praktisch sofort Standards wurden. „Night Dreamer“, „Speak No Evil“, um ein Paar zu nennen. Mit Weather Report hob er gar ein neues Genre aus der Taufe. „Fusion“ lebt noch heute.

Doch gerade die zweite Hälfte seiner Karriere macht Wayne Shorters Musikvermächtnis unsterblich. Der moderne Jazz, den er selbst mitbegründet hatte, mutierte. Schneller, höher, weiter. Shorter spielte in die andere Richtung. Vielleicht, weil er höher, schneller, weiter nicht mehr konnte. Auf jeden Fall aber, weil er sanfter, weicher, intimer konnte.

Ein Auftritt in Bonn im Jahr 2014

Je älter Shorter wurde, desto weniger Töne spielte er. Aber desto mehr Leben, Gefühl, Weisheit lag in diesen wenigen Tönen. Seinem dunklen Tenor-Ton und seinem hellen Sopran-Ton, wie gesprochenes Wort, blieb er treu. Nur setzte er die Instrumente nicht mehr so oft an. Ein Auftritt in Bonn im Jahr 2014 zeigt das gut. Um ihn herum toben Danilo Perez, John Patitucci und Brian Blade. Wayne Shorter sitzt da, lächelt, hört. Dann spielt er einen Ton. Und hat alles gesagt.