Essen. Am Samstag, 7. August, läuft die erste „Literatour 100“ überall im Ruhrgebiet. 30 Autoren lesen an 26 Orten – darunter Stars wie Volker Kutscher.
Wer erleben möchte, wie bunt und lebendig die Literaturszene im Ruhrgebiet ist, sollte sich am kommenden Samstag, 7. August, ein paar Stunden freihalten. Denn an diesem Tag findet die erste „Literatour 100“ statt, ein revierweites Festival, das die Kraft des gehobenen Wortes ebenso feiern möchte wie die vielen kreativen Menschen, die sich der hohen Kunst des Schreibens verschrieben haben.
29 Autorinnen und Autoren sind dabei, die bei 42 Veranstaltungen an 26 Orten zwischen Hamm und Moers aus ihren aktuellen Werken lesen – darunter sind junge Talente, Poetry-Slammer und Stars der Szene. Es gibt viel zu entdecken.
Von Hamm bis Moers: Literatour 100 führt quer durchs Ruhrgebiet
Dahinter steckt das Netzwerk Literaturgebiet.Ruhr als Veranstalter, das seit über einem Jahr verzweifelt versucht, den ambitionierten Lese-Marathon an den Start zu bringen. Bislang ohne Erfolg: Die ersten beiden Termine im Juni des letzten Jahres sowie im April ‘21 mussten wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. „Doch wir haben uns geschworen, das Festival keinesfalls digital stattfinden zu lassen“, sagt Antje Deistler, Leiterin des Literaturbüros Ruhr in Gladbeck, das die „Literatour 100“ mitorganisiert.
Programm und Karten
Organisiert wird das Festival von Literaturgebiet.Ruhr, einem Zusammenschluss von fast 100 Akteuren, also Bibliotheken, Literaturhäusern, literarischen Gesellschaften und Einzelveranstaltern wie dem Wortklub Dortmund und Wortlaut Ruhr.Um die Einhaltung der Corona-Maßnahmen kümmern sich die jeweiligen Veranstalter vor Ort. Eintritt erhält nur, wer geimpft, getestet oder genesen ist. Das komplette Programm und Karten gibt es unter www.literaturgebiet.ruhr/literatour100
Die Wahl fiel auf den kommenden Samstag, mitten in den Ferien – für Literaturveranstalter naturgemäß eine heikle Zeit. „Dass wir uns das jetzt trotzdem trauen, hat auch mit dem Wunsch und der Notwendigkeit zu tun, möglichst viel an der frischen Luft und damit coronasicher zu machen“, so Deistler. Und außerdem: „Weiter bis in den Herbst damit zu warten, hat ja auch keinen Sinn!“
Dirk Kurbjuweit erzählt von Serienmörder Fritz Haarmann
Auch interessant
So wird der Samstag gebündelt zum Tag der Literatur erklärt: „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, etwas Zentrales zu veranstalten“, sagt Deistler. „Was hat jemand in Unna davon, wenn in Essen eine große Veranstaltung stattfindet? Das Ruhrgebiet funktionierte immer schon dezentral, und so machen wir das jetzt auch. Mit vielen kleinen Lesungen über den ganzen Raum verteilt.“ Eine Landkarte auf der Internetseite gibt Auskunft darüber, was wann und wo genau geplant ist.
Damit die Besucher möglichst viel mitbekommen, lesen die Autoren teilweise an mehreren Orten hintereinander. So ist etwa der Journalist und „Spiegel“-Autor Dirk Kurbjuweit mit seinem Buch über den Serienmörder Fritz Haarmann zunächst um 11 Uhr auf dem Hof des Gymnasiums Petrinum in Recklinghausen zu Gast (Eintritt: 5 Euro) und macht sich dann auf den Weg nach Essen-Kettwig, wo er um 19 Uhr im Saal der Freien evangelischen Gemeinde lesen wird (7,50 Euro).
Frank Goosen erinnert an die 80er-Jahre
Einige Schriftsteller haben nach dem langen Corona-Lockdown mittlerweile schon neue Bücher, die sie gern vorstellen möchten. Statt wie ursprünglich geplant über seine intensive Beziehung zu den „Beatles“ witzelt Frank Goosen jetzt in „Sweet Dreams“ über das Ruhrgebiet der 80er-Jahre mitsamt Phänomenen wie Schulterpolster und Synthiepop: um 12.30 Uhr auf dem Platz der Kulturen in Unna (5 Euro), um 18 Uhr im Literaturhaus Dortmund (Eintritt frei). Die Krimiautorin Melanie Raabe liest nicht aus „Die Wälder“, sondern erzählt in „Lady Gaga“ vom großen Einfluss des Popstars auf ihr Leben. Motto: „No more P-P-P-Pokerface!“: um 13 Uhr in der Galerie in der Weststraße 36 in Hamm (Eintritt frei) – um 20 Uhr in der Buchhandlung Musial in Recklinghausen (15 Euro).
Lesung mit Volker Kutscher an einem „vergessenen Ort“
Um möglichst viele Veranstaltungen im Freien anbieten zu können, wurden für das Festival teilweise auch „vergessene Orte“ neu entdeckt. In Gladbeck etwa eignet sich nach Idee der Veranstalter der Theaterhof hinter der Stadthalle nahezu perfekt als kleines Amphitheater. Hier liest unter anderem Volker Kutscher aus „Olympia“, dem achten Band seiner Erfolgsreihe rund um Kommissar Gereon Rath, die in „Babylon Berlin“ auch fit fürs Fernsehen wurde (16 Uhr, 5 Euro).
Als Geheimtipp werden die Lesungen vonNahed Al Essa
gehandelt: Die Autorin kam 2016 mit ihren zwei kleinen Kindern aus Syrien ins Ruhrgebiet. Ihre Geschichten kreisen nicht um Flucht und Trauer, sondern nehmen begierig neue Impulse auf und erzählen packend von den 4222 Kilometern zwischen der alten und der neuen Heimat: um 12.30 Uhr im Train of Hope in Dortmund, um 19 Uhr im Theater Total in Bochum, Eintritt frei.
Ob die „Literatour 100“ künftig regelmäßig stattfinden kann, ist noch offen. „Vorstellen können wir uns das“, sagt Antje Deistler. „Vielleicht auch im Wechselspiel mit den anderen Netzwerken in NRW: dem Literaturland Westfalen und Literatur Rheinland.“