Bayreuth. Wandel auf dem Grünen Hügel: Die neuen Leiterinnen der Wagner-Festspiele sind in vielen Dingen noch festgelegt auf Entscheidungen ihres Vaters Wolfgang Wagner, versuchen aber Profil zu gewinnen - zum Beispiel mit "Wagner für Kinder".
Der Beginn einer neuen Epoche im Festspielhaus auf dem Grünen Hügel Bayreuths könnte nicht unspektakulärer sein: Der Auftakt am Samstag, 25. Juli, mit Christoph Marthalers zähflüssiger Inszenierung von "Tristan und Isolde" empfinden selbst hartgesottene Wagnerianer als Strapaze, die nur durch die beiden langen Pausen gemildert wird, in denen sich das illustre Premierenpublikum ausgiebig präsentieren und gegenseitig beäugen kann.
Auftakt ohne Neuinszenierung
Einen attraktiveren Auftakt hätte sich das neue Führungsduo der Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner gewiss vorstellen können. Dass ausgerechnet in diesem Jahr keine Neuinszenierung auf dem Programm steht, liegt an der langfristigen Planung, die der abgetretene Patriarch Wolfgang Wagner seinen Nachfolgerinnen hinterlassen hat. In diesen Fesseln werden sich die 64-jährige Eva Wagner-Pasquier und 31-jährige Katharina Wagner noch einige Jahre bewegen, denn auch für die Folgezeit sind die personellen Besetzungen der geplanten Neuinszenierungen schon weitgehend festgelegt.
Allerdings steht weiterhin noch nicht fest, wer im Jahr 2013, wenn Richard Wagners 200. Geburtstag weltweit gefeiert wird, Regie beim neuen "Ring des Nibelungen" führen soll. Als gewiss gilt, dass Katharina Wagner diese schwierigste aller Aufgaben bei den Festspielen nicht selbst übernehmen wird. Das allerletzte Wort in dieser Angelegenheit ist allerdings noch nicht gesprochen. 2009 ist die jüngste Tochter Wolfgang Wagners jedenfalls mit von der Partie, ihre Version der "Meistersinger von Nürnberg" läuft im dritten Jahr.
Halbschwestern keine Alleinherrscherinnen
Bereits zum vierten Male steht Tankred Dorsts Inszenierung von "Der Ring des Nibelungen" auf dem Programm, wieder dirigiert von dem Bayreuth-Liebling Christian Thielemann. Stefan Herheims "Parsifal", im Vorjahr ein Kritikererfolg bei der Premiere, wird als letzte Oper im Aufführungszyklus gezeigt. Die beiden wichtigsten Umbesetzungen bei den großen Partien betreffen Hans Sachs und Siegfried: Mit dem Amerikaner Alan Titus als Sachs in den "Meistersingern" und Christian Franz als Siegfried im "Ring" geben alte Bekannte ein neuerliches Gastspiel im Festspielhaus.
Es gibt also auf der Bühne des Festspielhauses 2009 außer personellen Umbesetzungen nichts Neues zu sehen. Neu ist vielmehr, dass die beiden Urenkelinnen Richard Wagners keineswegs mehr wie ihr Vater Alleinherrscher auf dem Grünen Hügel sind, sondern faktisch Angestellte mit Zeitverträgen der vier Eigentümer. Das sind der Freistaat Bayern, der Bund, die Stadt Bayreuth und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth. Welche Folgen diese einschneidenden Veränderungen der Machtverhältnisse bereits haben, beweisen die bislang undenkbaren Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft Verdi um die Entlohnung der Festspiel-Mitarbeiter: Wegen eines Warnstreiks konnte die Generalprobe für "Die Meistersinger von Nürnberg" am Montag erst verspätet beginnen.
Erste Inszenierung speziell für Kinder
Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner müssen in dieser viel öffentliches Aufsehen machenden Angelegenheit alles dem Verwaltungsrat der vier Eigentümer überlassen. Deshalb versuchen die ungleichen Töchter Wolfgangs andere Akzente zu setzen, um Profil zu gewinnen, zum Beispiel mit der ersten speziell für Kinder gedachten Inszenierung einer Wagner-Oper. Der 1843 uraufgeführte "Fliegende Holländer" mit seiner schaurig-spannenden Handlung vom Geisterschiff wurde für Zuschauer zwischen sechs und zehn Jahren bearbeitet und dabei auf eine Stunde gekürzt. Die erste Aufführung ist für den Tag der Festspieleröffnung um 12.30 Uhr auf einer umgebauten Probebühne geplant.
"Das ist quasi eine Uraufführung im weitesten Sinne", meint Katharina Wagner. Für Kinder und eine erwachsene Begleitperson ist der Eintritt frei, Erwachsene ohne Kinder mussten 20 Euro für Karten zahlen - von denen es keine mehr gibt, die zehn geplanten Aufführungen sind ausverkauft. Katharina Wagner: "Ziel des Projekts ist es, Kinder nicht nur an die Oper, sondern im selben Zug an das Werk Richard Wagners heranzuführen." Die Sparte "Wagner für Kinder" solle fester Bestandteil der jährlichen Festspiele werden, "wir wollen schließlich, dass die Festspiele im besten Fall auch in 20 Jahren noch auf zehn Jahre ausgebucht sind wie heute."
Kenntnis des Werks wird vorausgesetzt
Weitere Festspiel-Neuerungen 2009: Einführungsvorträge zu den Inszenierungen. Dieses Angebot sei einmalig in Bayreuth und nur mit Hilfe von Sponsoren überhaupt möglich, schwärmt Katharina Wagner. Wer eine Karte für die Abendaufführung besitzt, hat von dieser Spielzeit an die Gelegenheit, sich drei Stunden vorher gezielt auf die Inszenierung vorzubereiten.
"Die Kenntnis des Werks wird dabei vorausgesetzt", erklärt Stephan Burianek, Sprecher der Festspielleitung. Die Vorträge, die überwiegend von Theaterwissenschaftlern gehalten werden, bezögen sich in erster Linie auf die Inszenierung der Oper und sollten den Besuchern eine Interpretationshilfe geben. "Wir hoffen, dass die Menschen dadurch aufgeschlossener in die Vorführungen gehen."
Handlicher und günstiger: Hefte statt Programmbücher
Sie werden auf jeden Fall weniger Gepäck mitbringen: Katharina Wagner hat die 1993 abgeschafften Programmhefte wiedereingeführt. Sie sollen die unhandlichen und mit 28 Euro auch ziemlich teuren Festspielbücher ablösen. Kleiner, handlicher, mit sieben Euro günstiger - aber auf keinen Fall weniger informativ sollen sie sein, betont Wagner.
All das wird nebensächlich sein, wenn sich am 25. Juli um 16 Uhr vor den Besuchern, darunter Stammgast Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Vorhang hebt. Dann geht es einmal um die Kunst. Aber bei der Länge des aktionsarmen Wagner-Werks «Tristan und Isolde» werden etliche der prominenten Ehrengäste auf den unbequemen Stühlen in dem riesigen Festspielhaus sich schon auf den anschließenden Staatsempfang freuen, zu dem erstmals Horst Seehofer in seiner Funktion als bayerischer Ministerpräsident eingeladen hat. Die endlosen Reden zu später Stunde von Amtsvorgänger Edmund Stoiber muss von nun an niemand mehr fürchten.(ap)