Wanne-Eickel. Fast alle Erfolgsstücke des Mondpalasts in Wanne-Eickel sind das Regiewerk von Thomas Rech. Ein Gespräch über Humor und das Handwerk der Komödie.
Das hundertfache Lachen, das Abend für Abend aus Wanne-Eickels Mondpalast schallt: Es ist vor allem das Werk Thomas Rechs. Erst Bahnbeamter, dann Schauspieler, dann Regisseur einer Erfolgsgeschichte. Eben ist er 65 geworden, heute Abend steht er, wie seit 14 Jahren als Butler Jaköbchen in „Dinner for Wanne“ auf der Bühne des Palastes. Lars von der Gönna traf ihn zum Gespräch über den weiten Weg zur Kunst, Ängste und das Geheimnis gelungener Komödien.
Sie sind ein Kind der 50er und frühen 60er Jahre. Das war der Humor von Peter Frankenfeld, Jürgen von Manger, Heinz Erhardt. Wer hat auf Sie die stärkste Wirkung gehabt?
Heinz Erhardt! Großartig, erwachsenen-untypisch: Der war albern, tanzte, sang. So sind mir Erwachsene in meinem Leben damals nicht begegnet. Ich hab’ das als Trost empfunden – wie da einer ausbricht, Kind geblieben ist. Erhardt hat einem so’n bisschen Hoffnung gegeben: Es endet nicht grundsätzlich im Düster’n, wenn man groß ist...
Sie kommen aus einer Familie mit reichlich Bergleuten. Wo kam die Kunst her?
Als wir von Essen nach Bochum zogen, stand noch die Zeche Dannenberg, das Opel-Werk war noch gar nicht da. Mein Vater hat das dann mit aufgebaut. Theater war zu Hause keine Kategorie. Auf die Idee, dass ich so etwas als Beruf machen könnte, wäre ich nie gekommen. Meine Onkels waren alle auf dem Pütt. Und mein Vater, als er merkte, dass ich nicht ewig in der Verwaltung bleiben würde, sagte immer: „Aber man muss doch seine drei Mark 50 verdienen!“. Das war so sein Spruch, wenn wir zum VfL gegangen sind.
Hat Sie das belastet?
Man muss ja das Erlebte dieser Generation bedenken. Da waren die Werte eben Ruhe, Sicherheit, materielles Auskommen. Ich war in meiner Familie nach langer Zeit das erste Kind. Also musste ich zum Gymnasium: „Der soll es mal besser haben!“. Auf mich wurden viele Wünsche projiziert, alle gut gemeint. Aber leicht war das für mich nicht. Mein Weg zur Kunst war ein mühsames Befreien aus dem Geist der Nachkriegszeit.
Und das Theater?
Mit Theater bin ich in Bochum konfrontiert worden, mit Zadek, mit Peymann. Ich bin dauernd ins Theater gerannt, als Bundesbahnbeamter. Das war für mich unfassbar! Der Moment, wo im Theater das Licht ausgeht, der hieß: Von da an ist alles möglich! Bis heute ist das bei mir so.
Und als Kind?
Ich habe wundervolle Tanten, beide kinderlos, heute sind sie 82 und 96, die nahmen mich mit ins Kindertheater Essen. Und, unvergessen: Deutschland-Premiere, 1965 in der Lichtburg: Winnetou III. Das war traumatisierend! Ich saß in der Loge, auf der Leinwand wurde Winnetou erschossen, zugleich saß er, Pierre Brice, zwei Reihen vor mir. Das müssen Sie erstmal sortiert kriegen.
Sie kennen die Binse vom traurigen Clown: Der Mann, der von „Ronaldo und Julia“ bis zur „Flurwoche“ dem Mondpalast 20 pralle Komödien-Inszenierungen schenkte, ist ein ziemlich ernster Mensch.
Ich würde mich als Melancholiker bezeichnen, das ist keine Klage, das macht mich irgendwie aus. Aber ich muss immer wieder durch ziemlich heftige Täler. Angstzustände kenne ich seit meiner Jugend. Prüfungen? Ein Horror! Ein Studium hab ich mir erst gar nicht zugetraut.
Ihr Werk: über eine Million Zuschauer, die sich im Mondpalast kringelig lachen. Wie geht witzig?
Ich habe keine Ahnung, warum mir das gelingt (lacht). Na ja, sehr viel an Komödie ist Handwerk, und ich verstehe mich nicht als Künstler, sondern als Kunsthandwerker. Ich bin dafür verantwortlich, dass mein Ensemble in einer angstfreien, lustvoll konkurrierenden Atmosphäre spielt. Jede Figur in einer gut gemachten Komödie an sich ist total ernst. Das Lachen entsteht unten im Parkett. Und: Man sollte als Regisseur die Menschen lieben. Mein Herz ist besonders aufseiten der Verlierer.
Wie sehen Sie Ihre Zuschauer?
Die Menschen, die hier hinkommen und lachen wollen, die will ich ernst nehmen! Ich würde nie übermäßig versuchen, meinen persönlichen Humor auf die Bühne zu bringen. Würde auch nicht funktionieren, auch wirtschaftlich nicht. Der Mondpalast kriegt keinen müden Euro Subvention. Wenn ich hier zweimal daneben greife, ist es aus.
2012 hatten Sie eine lebensgefährliche Erkrankung...
...ja, die Krankheit, an der mein Vater gestorben ist. Drei Tage vor der Diagnose hatte sich meine Frau von mir getrennt – bei drei schulpflichtigen Kindern. Zwei Katastrophen, die sich in ihrer Wucht gegenseitig aufgehoben haben. Ich hatte gar keine Möglichkeit, in eine ganz tief reinzufallen. Ein Segen, irgendwie.
Hat Ihnen der Humor geholfen, wieder in die Spur zu kommen?
Nein, auch wenn das gut in ein Interview passen würde. Geholfen tapfer zu sein, haben mir meine Kinder. Das ist mein eigentliches Leben: Vater zu sein, ist meine Leidenschaft. Was die Erziehung angeht, halte ich es aber doch mit einem großen Komiker, Karl Valentin: „Es hat keinen Sinn, Kinder zu erziehen, sie machen einem sowieso alles nach.“
Sie stehen heute wieder drei Mal als Butler in „Dinner for Wanne“ auf der Bühne. Ihre Lieblingsszene?
Unter uns: Christian Stratmann kann auch nach zehn Jahren die paar Sätze als Omma Soffie nicht auswendig. Und manchmal nehm ich ihm einfach den Zettel neben dem Suppenteller weg. Ich liebe Improvisieren, das kann dann richtig lustig werden.