. Ende März gehen am Kölner Millowitsch-Theater die Lichter aus. Ist das Volkstheater am Ende? Die Branche sieht das Aus am Rhein eher gelassen.
Falls Sie nichts vorhaben heute Abend: Es gibt noch Karten fürs Volkstheater Millowitsch. Samstag in Köln – und es gibt Karten! Hat Peter Millowitsch doch recht, dass „das gute alte Volkstheater langsam aus der Mode“ komme? Diese Woche hat er seine Theater-Homepage zur Pinnwand gemacht, um Tschöö zu sagen. Am 25. März ist Schluss.
Heute spielen sie „Wer weiß, wofür et jot is“. Wofür es gut ist, und womit es jetzt bald gut ist, weiß Peter Millowitsch sehr genau. Er ist 68, das Theater, das unter Peters Vater Willy zum kölschen Kult-Artikel emporschnellte, gleich nach Rhein, 4711 und Kölner Dom, subventionierte er zuletzt quer. Wie anders soll man es deuten, wenn er sagt, den aktuellen Betrieb „nur aus privaten Renten-Rücklagen weiter aufrechterhalten“ zu können?
Nachricht vom Ende kam nicht überraschend
Niemanden, der Bescheid weiß im deutschen Volkstheater, überraschte die Nachricht vom Ende. „Ein Haus auf Abruf“ nannte es die Kölnische Rundschau schon 2017. Peter selbst hatte ja schon letztes Jahr gesagt, dass wohl bald Schluss sei und noch länger davor, dass er immer gewusst habe, als letzter Millowitsch-Mohikaner hier eines Tages das Licht auszumachen. Keine Kinder, keine spaßbereiten Erben. Schluss mit lustig.
Es gibt dieser Tage vom Haus am Rudolfplatz keine lauten Schuldzuweisungen, aber dass der Ausstieg des WDR 2016 das Theater heftig getroffen hat, verhehlte Millowitsch nie. Im Zuge von „Sparmaßnahmen“ ließ der Sender die Bühne samt Übertragung fallen. Zuvor hatte er Bühnenbilder mitfinanziert, Kostüme – aber lange schon nicht mehr mit ganzem Herzen. „Da stand niemand mehr dahinter“, sagt ein ARD-Mann, „und wenn sie sich herabgelassen haben, die Komödien zu zeigen, dann Buß- und Bettag kurz vor Mitternacht. Der WDR hat das Theater einen langsamen Tod sterben lassen.“
Es gab schlicht Qualitätsprobleme
Das ist die eine Seite. Die andere sieht das Unternehmen Millowitsch kritischer. Es gab schlicht Qualitätsprobleme. Es gab eine „Entkölschung“. Zu schwache Stücke, zu wenig Kreativität – und um Peter Millowitsch ein nicht sonderlich erlesenes Schauspiel-Ensemble. Und natürlich den Verlust des Patriarchen Willy (1909-1999), ein Magnet. Doch auch Willy, Spross dieser alten Theatersippe, die als Puppenspieler begonnen hatte, registrierte schon in den 1980ern Veränderungen: Die Zeiten, da Übertragungen aus dem Volkstheater Wahnsinnsquoten im Ersten hatten, gar Geburtstagsfeiern verlegt wurden, weil „die Heidi Kabel“ oder „der Millowitsch“ doch heute Gast im Wohnzimmer waren, sie endeten schon lange vor Millowitschs Tod.
Das komödiantische Lagerfeuer, das zuverlässig um Standes-Hürden, verbotene Liebeleien und eine inkompetente Obrigkeit loderte, dieses Feuer, das drei Generationen um sich zu scharen vermocht hatte, erlosch, wanderte ins dritte Programm oder ganz weg aus dem Blickfeld der Zuschauer. „Das Interesse des Publikums hat sich gewandelt“, hieß es trocken vom WDR.
Mit Luftschlangen vor dem Fernseher
Er handelte zeitgemäß: Es traten un- und teils schnell verbrauchte Comedy-Gesichter an gegen das 70 Jahre alte Stück vom „Etappenhasen“. Der Hase verlor; nicht allein er. Wer kann sich heute noch vorstellen, dass deutsche Familien zu „Mainz, wie es singt und lacht“ mit Luftschlange und Piccolo vor dem Fernseher saßen? Als die „Dritten“ Vollprogramme wurden, nahmen sie vieles davon mit.
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„Mit dem Abtreten der ganz großen Stars“, sagt Burkhard Bergermann, habe es selbst gutes Volkstheater zunehmend schwer gehabt, ein Selbstläufer zu bleiben. Und das Timing erst! „Die Sehgewohnheiten haben sich auch im Humor extrem gewandelt. Selbst wenn wir einen Großmeister wie Loriot betrachten: So etwas wie „Liebe im Büro“ empfinden wir heute als irre langatmige Nummer“, sagt Bergermann. Als Unterhaltungsredakteur beim NDR ist er fürs „Ohnsorg“ zuständig. Niemand zweifelt dort an der Zukunft der Kooperation. Das scheint überhaupt die bessere Nachricht im Dunstkreis der Kölner Schließung: Das Ende bei Millowitsch lässt in der Szene kaum jemanden das Totenglöckchen fürs gesamte Genre läuten hören.
„Man darf nie die Wurzeln kappen“
Seine Hausaufgaben müsse man allerdings machen, sagt Michael Lang, Intendant des Ohnsorg, sich immer neu erfinden, „nahbar“ sein, „menschlich, unerschrocken, sinnlich, authentisch, zeitgemäß“. Lang liebt das Bild des Baumes, wenn es um „seine“ 116 Jahre alte Volksbühne geht: „Da werden einzelne Äste morsch und fallen ab, andere wachsen neu. Nur eines darf man nie machen: die Wurzel des Baumes kappen.“ In Hamburg spielen sie denn auch alte wie neue Klassiker auf Platt, von „Romeo un Julia“ bis „Harold un Maude“. Die Nachfrage in der Kinder- und Jugendtheatersparte kriegen sie kaum gestillt.
Hamburg übrigens könnte am Rhein künftig eine ungekannte Rolle spielen. Christian Seeler, Ex-Intendant des Ohnsorg, will am Rudolfplatz kurz vor Weihnachten den alten Schwank „Tratsch im Treppenhaus“ inszenieren. In den Hauptrollen zwei sich längst im Rentenalter befindende Kinder berühmter Volkstheater-Ikonen: Heidi Kabels Tochter Heidi Mahler und – Peter Millowitsch.