Essen. Neu im Kino: Ilker Çataks Filmdrama „Das Lehrerzimmer“ entführt in den Mikrokosmos Schule, kann die Spannung aber nicht aufrechterhalten

Carla Nowak ist neu im Job. In der siebten Klasse eines Hamburger Gymnasiums unterrichtet sie Mathe und Sport. Als es zu einer Diebstahl-Serie kommt, ergreift sie die Initiative und gerät bald ins Räderwerk eines hierarchischen, durch und durch bürokratisierten Schulsystems. Carla findet sich zwischen allen Fronten wieder.

In seinem siebenfach für den deutschen Filmpreis nominierten Drama „Das Lehrerzimmer“ wirft der Filmemacher Ilker Çatak („Es gilt das gesprochene Wort“) einen analytischen Blick auf den Mikrokosmos Schule und erzählt von Mobbing und Gewalt, Mut und Idealismus.

Die Schule als Spiegel der Gesellschaft

Altmodisch, weltfremd, selektiv: Das deutsche Bildungssystem steht immer aufs Neue in der Kritik. Grund genug, genau hinzusehen. In seinem neuen Film macht Ilker Çatak (auch Drehbuch, mit Johannes Duncker) den Versuch und lässt die Gegensätze aufeinanderprallen. Hier die junge Einsteigerin, die allen gerecht werden will – dort ein Apparat, der rostet und ächzt unter Sachzwängen und Lehrplänen. Hier die Einzelkämpferin, dort das System. Oder aber: David gegen Goliath. Das kann man durchaus als Spiegel der Gesellschaft lesen.

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Leonie Benesch („Babylon Berlin“) überzeugt als Carla Nowak, Idealbild einer jungen engagierten Lehrerin, aber auch eine Getriebene. Sie ist frisch, fair und motiviert, sagt bewusst „Schüler:innen“ und fördert ihre Klasse. Darunter Oskar (Leonard Stettnisch), der Sohn der Schulsekretärin Friederike Kuhn (Eva Löbau). Als diese wegen Carla in den Verdacht gerät, das Geld gestohlen zu haben, hat das erhebliche Folgen. Oskar flippt aus. Carla kämpft für ihren Schüler, gerät im Rahmen der „Null-Toleranz-Politik“ des Gymnasiums aber auch an ihre persönlichen Grenzen.

Der Spannungsbogen endet im Nirgendwo

Eng sind die Bilder des Films, die im 4:3-Format daherkommen und eine nahezu klaustrophobische Wirkung entfalten. Obendrein spielt die Handlung komplett im Schulgebäude, so dass man das Linoleum förmlich riechen kann. Man begleitet Clara durch die Gänge in die Klasse, wo die jungen Darsteller für authentische Unterrichtsstunden sorgen. Man sitzt mit ihr im Lehrerzimmer fest, in dem die Generationen und Welten aufeinanderprallen – folgt ihr auf den Schulhof mit den ewiggleichen steinernen Tischtennisplatten. Und erlebt lähmende Debatten von Eltern und Pädagogen, die ebenfalls immer noch dieselben sind wie früher.

Aber daran liegt es nicht, dass „Das Lehrerzimmer“ am Ende nicht überzeugen kann. Sondern an einem mit Hilfe eines experimentellen Klangteppichs erzeugten Spannungsbogen, der schließlich im Nirgendwo endet. Was bleibt, ist eine nicht auserzählte Geschichte, eine Momentaufnahme ohne Nachhall. Schade um den guten Ansatz, um im Schuljargon zu bleiben.