Neu im Kino: „Caveman“ als verhunzte Komödie, die Problemfilme „The Son“ und „Till - Kampf um die Wahrheit“ und eine junge Frau auf der Suche.
„The Son“
Kopfkino einmal anders: Regisseur Florian Zellner will auch in seinem neuen Film „The Son“ zeigen, wie Krankheiten im Kopf unser Wesen und Wahrnehmung verändern können. Nach dem oscarprämierten Demenz-Drama „The Father“ geht es um Depressionen bei Teenagern. Im vorliegenden Fall trifft es den 17-jährigen Nicholas (Zen McGrath). Dessen Eltern Kate (Laura Dern) und Peter (Hugh Jackman) haben sich getrennt. Peter hat eine neue, junge Frau (Vanessa Kirby), dank der er gerade zum zweiten Mal Vater geworden ist.
Nicholas hingegen ist Schulschwänzer und Peter soll ihn wieder auf Kurs bringen, sagt Kate. Zunächst scheint das auch zu fruchten. Bis sich rausstellt, dass Nicholas sich heimlich ritzt. Peter stellt ihn zur Rede und löst damit eine ganze Reihe von Konflikten aus.
Wieder hat Zellner ein Theaterstück verfilmt und wie auch schon bei „The Father“ ist es auch mehr ein verfilmtes Bühnenstück. Das behauptete New York liegt fast immer unsichtbar vor den Fenstern der schön eingerichteten Wohnungen und Praxen. Man mag sich also durchaus fragen, ob Zellner überhaupt einen Film gemacht hat – zumal auch die durchweg großartige Schauspielerriege eher klingt wie auf der Bühne als im wahren Leben. Die Besetzung und Bildgestaltung stimmt bis in die Feinheiten.
Man achte beispielsweise auf den Hund des Therapeuten. Ist der jetzt Besetzung oder Ausstattung?
Spaß beiseite, den gibt es in diesem Film ohnehin selten. Nur Anthony Hopkins, der als „The Father“ noch einen Osacr mit nach Hause nehmen durfte, ist es vorbehalten, einen wunderbar doppeldeutigen Satz zu sagen, dessen Komik sich dann erst im Kopf des Zuschauers bildet.
Er ist in diesem Film gewissermaßen der Groß-Vater: Hugh Jackman besucht ihn eines Tages, nach Klarheit und Hilfe suchend in seinem Chaos aus Herausforderungen und Loyalitäten im Beruf, mit dem depressiven Sohn und seiner alten und seiner neuen Liebe. Selten hat man Hugh Jackman so eindrucksvoll gesehen. Fast, so muss man leider sagen, stiehlt er dem Sohn, um den es doch eigentlich gehen soll, ein wenig die Schau – erst am Ende, wenn Nicholas mit seiner ganzen manipulativen Kraft seine Eltern beeinflusst, verschieben sich die Gewichte ein wenig.
Dies und der Umstand, dass Zellner dieses Mal mit der manchmal beinahe gefühlskalt agierenden Darstellerschar erneut erlebbar machen wollte, wie sich Depression anfühlen mag, macht den Film vielleicht ein wenig unzugänglich und zu einer Art Familienaufstellung mit Schachfiguren. Aber dennoch: Man muss ja nicht alles Zwischenmenschliche auf Dschungelcamp-Niveau verhandeln.
„Caveman“
Bobby arbeitet Bobby als Autoverkäufer – aber sein Traum ist es, als Comedian durchzustarten. Eines Tages bietet ein Newcomer-Wettbewerb die Chance. Doch kurz vor dem Auftritt verlässt ihn seine Frau. Bobby ist am Boden zerstört. Es gilt, zu improvisieren. – Basierend auf Rob Beckers Erfolgstheaterstück „Caveman“ legt Laura Lackmann („Mängelexemplar“) nun den gleichnamigen Film vor. Doch der ist derart altbacken geraten, dass es auch Moritz Bleibtreu im Damenpulli mit Ponyfrisur nicht gelingt, die heftig kalauernde Beziehungskomödie zu retten.
Alles dreht sich um Bobby (Bleibtreu) und seine Claudia (Laura Tonke), die nach sieben Jahren Ehe am Tiefpunkt sind. Sie nerven seine Macho-Allüren, er fühlt sich gegängelt. Er liegt auf der Couch, sie räumt auf. Er will schweigen, sie reden. Sie hätte ihn eben gern anders – aber er weiß nicht wie. Da kann auch sein Alter Ego, der Neandertaler Caveman (auch Moritz Bleibtreu), nicht helfen.
Laura Lackmann hat bekannte Schauspieler und Promis verpflichtet (darunter Wotan Wilke Möhring, Martina Hill, Esther Schweins, Guido Maria Kretschmer, Thomas Hermanns), um das in Szene zu setzen und dekliniert mit ihnen sämtliche Klischees vom Kampf der Geschlechter durch, alles zigmal gehört und gesehen. Ohne Bühnenpräsenz kommen die Gags platt und mau daher, die Geschichte an sich ist dürftig. Also besser ins Theater gehen.
„Petrov’s Flu“
Es dürfte manchen verwundern, ja verärgern, dass in diesen Tagen ein russischer Film in den deutschen Kinos startet. Aber erstens wurde dieser Film bereits 2021 im Wettbewerb von Cannes gezeigt und zweitens ist der für seine Arbeit auf Opernbühnen gerühmte Regisseur Kirill Serebrennikow nicht als Freund des Putin-Regimes bekannt.
Wichtig ist aber vor allem, dass Serebrennikow sich mit der Adaption von Alexej Salnikows Roman „Petrov hat Fieber“ als immens einfallsreicher Filmregisseur präsentiert.
Das Geschehen spielt in Jekaterinburg nach dem Ende der Sowjetunion. Automechaniker Petrow (Semyon Serzin) ist Hobby-Comiczeichner, geschieden und schwer erkältet. Seine Exfrau (wie immer originell: Chulpan Khamatowa) behütet den kleinen Sohn und killt in Anfällen rasender Wut übergriffige Männer.
In superb choreografierten Sequenzen und virtuoser Kameraführung entfaltet sich ein temperamentvolles, bisweilen auch entwaffnend disziplinloses Kuriositätenkabinett durch die russische Seele an der Schnittstelle von Breschnew-Nostalgie und Jelzineskem Aufbruch. Auf jeden Fall etwas ganz Anderes im Programm.
„Till – Kampf um die Wahrheit“
Eigentlich sollten es ein paar unbeschwerte Tage bei Verwandten werden. Doch in Mississippi wird der 14-jährige Emmett Till von Rassisten umgebracht. 1955 schrieb der grausame Lynchmord Schlagzeilen und sollte mit zur Initialzündung für die Bürgerrechtsbewegung werden. Jetzt hat die US-Regisseurin Chinonye Chukwu den Fall mit einer hervorragenden Hauptdarstellerin verfilmt. Danielle Deadwyler spielt Tills Mutter, Mamie Till-Mobley, die nach dem Mord zusammen mit der NAACP, der größten afroamerikanischen Bürgerrechtsorganisation, für Gerechtigkeit kämpfte.
Auch interessant
Schon vor der Abreise ihres Sohns hat Mamie ein schlechtes Gefühl. Sie weiß, dass in den Südstaaten ein anderer Wind weht als daheim im fortschrittlichen Chicago. Doch der unbeschwerte Emmett (Jalyn Hall) schiebt alle Sorgen mit einem Grinsen beiseite. Er freut sich auf seine erste Reise allein.
In Mississippi begegnet er in einem Geschäft der ehemaligen Schönheitskönigin Carolyn Bryant. Er versucht mit ihr zu scherzen, pfeift ihr nach. Ein Ereignis, das eine Katastrophe auslöst. Emmett wird entführt und ermordet. Vor Gericht erfährt er keine Gerechtigkeit, weil die Jury in Mississippi ausschließlich von weißen Männern besetzt ist.
Bisweilen wird unnötig dick aufgetragen, dabei hätte es der schluchzenden Geigen gar nicht bedurft. Auch ohne solches Beiwerk geht Emmetts Schicksal ans Herz, macht wütend und wirkt noch lang nach.
„Return to Seoul“
Eine junge Französin mit koreanischen Wurzeln kommt nach Seoul und versucht dort ihre leiblichen Eltern aufzuspüren. Dies ist die weitgehend wahre Geschichte (nach dem Leben von Laure Badufle) einer nur äußerlich selbstbewussten Seele auf der Jagd nach der Herkunft und somit sich selbst.
In seinem dritten Kinofilm forciert Franko-Koreaner Davy Chou eine emotionale Achterbahn, in der es darum geht, einen Moment auszukosten und andere extrem zu verkürzen. Der Erzählfluss ist damit reich an Tempo und Überraschungen und dem Spiel der charismatischen Hauptdarstellerin Park Ji-min. Man schaut zufrieden zu, aber manche ausgesparte Aspekte (Freddies Karriere als Waffenhändlerin) hätten auch gezeigt werden dürfen.