Dortmund. Dortmunds Exklusivkünstler Lahav Shani über Corona, russische Komponisten, Kreativität und Kollegen. Ein Gespräch

Der Pianist und Dirigent Lahav Shani aus Tel Aviv hat sich in wenigen Jahren an der Spitze der internationalen Musikwelt etabliert. Zubin Mehta und Daniel Barenboim gehören zu den Mentoren des 33-Jährigen, der in Berlin lebt. Anke Demirsoy sprach mit Shani über seine Chefpositionen in Rotterdam und Tel Aviv und über seine dreijährige Künstler-Residenz am Konzerthaus Dortmund.

Wie wollen Sie Ihre Residenz mit Leben füllen?

Shani: Ich werde mit dem Rotterdam und Israel Philharmonic Orchestra auftreten, jedes Jahr aber auch ein weiteres Orchester einbringen, mit dem ich als Gast in guter Verbindung stehe.

Das Rotterdam Philharmonic Orchestra hat eine große Tradition. Inwiefern spüren Sie das Wirken ihrer Vorgänger Valery Gergiev und Yannick Nézet-Seguin?

Durch die Zeit mit Gergiev ist das Orchester risikofreudig und reaktionsschnell geworden. Es agiert im Konzert sehr wach und spontan. Die Jahre mit Yannick haben einen wunderschönen Orchesterklang geformt: rund, üppig, mit sanglichen Qualitäten.

Den Taktstock des einstigen Rotterdamer Chefdirigenten Eduard Flipse hat Yannick Nézet-Seguin in symbolischer Geste an Sie überreicht. Wo bewahren Sie ihn auf?

Er ist in einem gesicherten Tresor unter meiner… (unterbricht sich lachend) Ich mache natürlich Spaß. Das Orchester bewahrt dieses wertvolle Stück auf.

Was ist für Sie eine gute Probe, was wollen Sie dabei erreichen?

Ich möchte erreichen, dass alle Musiker und ich die gleiche Vorstellung von einem Stück haben. Aber im Konzert will ich nicht einfach wiederholen, was wir probiert haben. Das wäre sehr langweilig. Man muss kreativ bleiben: Proben sind nur die Grundlage dafür, im Konzert frei musizieren zu können.

 Lahav Shani mit Musikern des Rotterdam Philharmonic Orchestra.
Lahav Shani mit Musikern des Rotterdam Philharmonic Orchestra. © Holger Jacoby / Konzerthaus Dortmund | Holger Jacoby

Leonard Bernstein hat einmal gesagt, Dirigieren könne man eigentlich nicht lernen. Es sei die Fähigkeit, Musik mit dem eigenen Körper auszudrücken. Stimmen Sie zu?

Absolut. Die Grundlagen der Technik zu lernen, dauert vielleicht zehn Minuten. Aber eine Partitur zu lesen und ein Konzept zu entwickeln, braucht viel Gedankenarbeit. Nur Zeit, Erfahrung und Zuversicht helfen, diese Ideen dann erfolgreich an andere zu kommunizieren. Nicht allein mit Worten, sondern vor allem durch die Körpersprache.

Erleben wir einen Generationenwechsel am Dirigentenpult?

Mit 33 Jahren hätte ich früher als sehr junger Chefdirigent gegolten. Aber heute? Wir haben in Rotterdam einen brillanten ersten Gastdirigenten, einen jungen Finnen, Tarmo Peltokoski. Er ist 22 Jahre alt.

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Wie sind Sie durch die Pandemie gekommen?

Eine schwierige Zeit, auch für uns Musiker. Das Abstand halten, die Masken, die Restriktionen, die Konzerte ohne Publikum. Wir müssen jetzt wieder Vertrauen fassen, wieder eine Zukunft planen. Gleichzeitig tauchen neue Probleme in der Welt auf.

Da wir von Krisen sprechen: Mancherorts gibt es Bestrebungen, keine Werke russischer Komponisten mehr zu spielen. Wären auch Sie zu so einem Schritt bereit?

Oh Gott, natürlich nicht! Wer würde denn davon profitieren? Ich denke, wir sollten nicht auf die Aggression einsteigen. Wir sollten auch vorsichtig sein, dass wir junge Künstler, die sich nie politisch geäußert haben und das auch gar nicht wollen, zu irgendwelchen Stellungnahmen nötigen.

Immer mehr Frauen haben jetzt als Dirigentinnen Erfolg. Wie denken Sie über diese Entwicklung?

Es wurde höchste Zeit. Es gibt so viele erfolgreiche Musikerinnen: Geigerinnen, Pianistinnen, Cellistinnen, Komponistinnen, warum keine Dirigentinnen? Ich glaube da wird eine Entwicklung nachgeholt, die überfällig war.

<<< Karten für das Konzert mit Martha Argerich zu gewinnen <<<

Es ist schon jetzt nahezu ausverkauft: Lahav Shanis nächstes Konzert, in dem als Weltstar am Flügel Martha Argerich Beethovens zweites Klavierkonzert spielen wird – und Shani mit dem Orchestre de Paris Tschaikowkys Fünfte.

Zwei Leserinnen oder Leser haben bei unserem Gewinnspiel die Chance, den Abend am 17.12. in Dortmunds Konzerthaus kostenlos zu erleben. Wer gewinnen will, ruft bis einschließlich 18. Oktober folgende Nummer an: 01378/ 78 76 18 (0,50 € / Anruf)

Alle Auftritte Shanis unter: www.konzerthaus-dortmund.de/de/programm/abonnements